Otto von Bismarck

Wohl kein anderer Politiker hat die Geschichte Deutschlands im 19. Jahrhunderts in so starkem Ausmaß geprägt wie Otto Eduard Leopold Fürst von Bismarck-Schönhausen und Graf von Lauenburg, der am 1. 4.1815 in Schönhausen in der Nähe von Stendal geboren wurde und 30. Juli 1898 in Friedrichsruh bei Hamburg verstarb. Noch heute fasziniert die vielschichtige und ambivalente Persönlichkeit Bismarcks Forscher und interessierte Öffentlichkeit gleichermaßen. Historiker bewerten seine Leistungen unterschiedlich, allerdings steht fest, dass er maßgeblichen Anteil an der Einigung und Modernisierung Deutschlands hatte, andererseits aber durch seine Entscheidungen auch dazu beigetragen hat, die inneren und äußeren Konflikte des Deutschen Reichs zu verschärfen, die schließlich zur Katastrophe des ersten Weltkrieges führen sollten.

Kindheit, Jugend und Ausbildung

Bismarck entstammt einer evangelisch-lutherischen Landadelsfamilie aus der Altmark, wuchs aber nach einem Umzug auf einem Gut in Hinterpommern auf. Bismarcks Schulbildung fand in der preußischen Hauptstadt Berlin statt, wo er die Plamannsche Erziehungsanstalt, das Friedrich-Wilhelms-Gymnasium sowie das humanistische Gymnasium zum Grauen Kloster besuchte, an dem er im Jahre 1832 das Abitur ablegte. Anschließend widmete sich Bismarck in Göttingen und Berlin dem Studium der Rechtswissenschaften, das er im Jahre 1835 an der Friedrich-Wilhelms- Universität mit dem ersten Staatsexamen abschloss. Danach begann er ein Regierungsreferendariat, das ihn aber nicht erfüllte und aus dem er wegen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst vorzeitig entlassen wurde. Seinen Militärdienst absolvierte er im Jahre 1838 in Berlin und Greifswald.

Gutsverwaltertätigkeit und Familiengründung

Im Jahre 1939 kehrte Bismarck nach Hinterpommern zurück, um die Familiengüter nach dem Tod beider Eltern zu verwalten. Dabei bewies er großes landwirtschaftliches und kaufmännisches Geschick. Im Jahre 1847 heiratet Bismarck die neun Jahre jüngere Johanna von Puttkamer, die aus einem alten, vorpommerschen Adelsgeschlecht entstammte. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Marie (1848), Herbert (1849) sowie Wilhelm (1852). Wie Zeitzeugen und der umfangreiche Briefwechsel von Otto und Johanna von Bismarck belegen, verlief die Ehe ausgesprochen glücklich, obwohl Bismarck Affären hatte. Beide verband eine tiefe Zuneigung und absolutes Vertrauen. Johanna war eine intelligente und gebildete Frau mit tief empfundenen pietistischen Glauben, sie war zeitlebens der wichtigste Gesprächspartner und Ratgeber ihres Ehemannes.

Politische Karriere als Abgeordneter und Gesandeter

Zu Beginn richteten sich die politischen Bestrebungen Bismarcks auf das damals schon sehr unzeitgemäße Ziel, die alten Rechte des Adels wiederherzustellen. Im Jahre 1847 wurde er erstmals einer breiteren Öffentlichkeit als Mitglied des Vereinigten Landtags in Sachsen bekannt. Er vertrat die Interessen der Ritterschaft und fiel durch seine rhetorisch brillanten und leidenschaftlichen Reden auf, mit denen er seine sehr konservativen Ansichten vortrug. Er war ein entschiedener Gegner der Revolution von 1848/49 und bekämpfte sie voller Überzeugung. Im Jahre 1849 wurde Bismarck als preußischer Landtagsabgeordneter gewählt und siedelte nach Berlin über. Im Jahre 1850 versuchte er als Mitglied des Erfurter Unionsparlaments, das nach dem Scheitern der Frankfurter Nationalversammlung die deutsche Einheit durchsetzen sollte, aber scheiterte. Im Jahre 1851 folgte seine Ernennung zum preußischen Gesandten für den Frankfurter Bundestag. Auch hier versuchte Bismarck; die deutsche Einigung unter Preußen voranzutreiben, was aber vor allem an dem Widerstand Österreichs scheiterte. Bismarck hatte sich in wenigen Jahren einen exzellenten Ruf als außerordentlich begabter Redner und hervorragender Diplomat erworben, galt aber gleichzeitig auch als übertrieben konservativ und reaktionär. Dennoch fiel er beim Preußischen Königshaus vorübergehend in Ungnade und wurde als deutscher Gesandter im Jahre 1859 nach St. Petersburg geschickt. Anschließend wurde er im Jahre 1862 nach Paris entsandt, dies verbesserte seine Ausgangsposition für die Erreichung des von ihm angestrebten Amtes des preußischen Ministerpräsidenten erheblich.

Preußischer Ministerpräsident und Außenminister

Tatsächlich wurde Bismarck im Herbst des Jahres 1862 zum preußischen Ministerpräsidenten und Außenminister von König Wilhelm I. ernannt. Bismarck erwies sich auch in dieser Funktion als erzkonservativer Politiker und führte nicht nur ständig erbitterte Auseinandersetzungen mit den Liberalen, er setzte sich auch wiederholt absichtlich während der Zeit der Verfassungskrise über die preußische Verfassung hinweg und schaffte die Pressefreiheit durch Einführung der Zensur de facto ab. Im Deutsch-Dänischen Krieg, der im Jahre 1864 wegen der Auseinandersetzungen um die Herzogtümer Schleswig und Holstein ausbrach, übernahm Bismarck eine führende Rolle und konnte einen Sieg Preußen erreichen. Dies stärkte seine innenpolitische Position erheblich, so dass er schließlich im Jahre 1871 eine von ihm konzipierte neue Verfassung durchsetzen konnte. Bismarck versuchte anschließend mit allen Mitteln, endlich die Gründung eines neuen deutschen Reiches zu realisieren. Um dies zu erreichen, trieb er bewusst den schon lange schwelenden Konflikt mit Frankreich auch mit zweifelhaften Mitteln auf die Spitze, wie zum Beispiel mit der bewussten Verfälschung der bekannten Emser Depesche. Im Juli 1870 erklärte dann tatsächlich Frankreich wie von Bismarck gewünscht dem Norddeutschen Bund den Krieg. Sofort traten die Bündnispartner Bayern, Baden und Württemberg an der Seite Preußens ebenfalls in den Krieg.

Der deutsch-französische Krieg wurde auch wegen der von Bismarck durchgesetzten Abtretung von Elsass-Lothringen von Frankreich mit erbitterter Härte geführt. Während des Krieges bereitete Bismarck die deutsche Reichsgründung mit den Bündnispartnern vor, die schließlich zur Ausrufung des Deutschen Kaiserreichs am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles führte. Wenige Wochen später endete der deutsch-französische Krieg mit der Kapitulation Frankreichs.

Der Eiserne Kanzler

Im neugegründeten deutschen Kaiserreich wurde Bismarck zum mächtigsten Politiker, weil er das Amt des Reichskanzlers, des Außenministers, des Vorsitzenden des Bundesrates sowie des preußischen Ministerpräsidenten innehatte. Außenpolitisch war es oberstes Ziel, ein Wiedererstarken Frankreichs und damit einen erneuten Krieg zwischen Deutschland und Frankreich zu verhindern. Aus diesem Grund unterhielt Bismarck Bündnisbeziehungen mit Russland und Österreich, mit denen er im Jahre 1873 das sogenannte Dreikaiserabkommen schloss. Allerdings wurde es zunehmend schwieriger, eine machtpolitische Balance in Mitteleuropa zu halten, damit es zu keinen weiteren Kriegen kam.

Innenpolitisch kämpfte Bismarck gehen die katholische Zentrumspartei genauso wie die im Zuge der Industrialisierung wachsende Arbeiterbewegung. Im Jahre 1878 gelang es ihm, die Verabschiedung des sogenannten Sozialistengesetzes durchzusetzen, das sämtliche sozialistischen und sozialdemokratischen Organisationen im Deutschen Reich verbot. In den darauffolgenden Jahren schuf Bismarck mit der Gründung der gesetzlichen Unfall-, Kranken- und Rentenversicherung die Grundlagen des modernen Sozialstaates. Allerdings konnten auch diese Reformen nur wenig an der prekären Lebenssituation der Arbeiterschaft ändern. Nach der Thronbesteigung des jungen Kaiser Wilhelm II im Dreikaiserjahr 1888 endete das gute Einvernehmen von Bismarck mit dem Hause Hohenzollern. Wilhelm II lehnte Bismarcks politische Überzeugungen und Strategien zu einem großen Teil ab, so dass Bismarck im März 1890 abdankte. Seine letzten Jahre verbrachte er bis zu seinem Tod 1898 einsam, verbittert und schwer krank auf seinem Landsitz in Friedrichsruh im Sachsenwald.

Historische Würdigung

So verschieden die historische Forschung auch heute noch Bismarck beurteilt, lassen sich doch einige grundsätzliche, unumstrittene Feststellungen treffen. Bismarck war ein ausgesprochen machtbewusster, rhetorisch begabter und diplomatisch geschickter Politiker. Ohne ihn wäre die Gründung des Deutschen Kaiserreichs in dieser Form nicht zustande gekommen. Dabei hat er allerdings die Erbfeindschaft zu Frankreich vertieft, die letztendlich auch ein Hauptgrund für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs werden sollte.

Gleichzeitig ist es ihm, nach dem deutsch-französischen Krieg gelungen, ein Gleichgewicht der Kräfte in Europa zu schaffen und zu erhalten, das einen weiteren großen Krieg im 19. Jahrhundert verhindert hat. Innenpolitisch sind aus heutiger Sicht sein nicht ausgeprägtes Demokratieverständnis und seine repressiven Methoden, jegliche Opposition zu unterdrücken, zu kritisieren. Insbesondere die Abschaffung der Pressefreiheit sowie die Sozialistengesetze zeigten dramatische Folgen, die in der Summe zu einer in weiten Teilen unmündigen und obrigkeitshörigen Gesellschaft führten. Die Einführung der Sozialversicherungen gehört dagegen eindeutig zu den großen Verdiensten Bismarcks, die noch heute anerkannt werden.

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