Willy Brandt

Willy Brandt, der am 18. Dezember 1913 in Lübeck geboren wurde und am 8. Oktober 1992 im rheinland-pfälzischen Unkel starb, war ein deutscher Politiker und wohl eines der prominentesten Mitglieder der sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Geboren wurde Willy Brandt unter dem Namen Herbert Ernst Karl Frahm. Seine Eltern waren die Verkäuferin Martha Frahm und der Realschullehrer John Möller. Allerdings gab Martha Frahm den Namen des Kindesvaters nicht offiziell an und Willy Brandt traf den Mann niemals persönlich.

Kindheit und erste politische Aktivitäten

Nach der Eheschließung ihrer Mutter mit dem Knecht Ludwig Frahm nahm Martha den Namen ihres Stiefvaters an. Willy Brandt lebte gemeinsam mit seiner Mutter bei seinem Stiefgroßvater, den er auch Vater nannte. Ludwig Frahm nahm wohl in Willy Brandts Leben die Rolle einer Vaterfigur ein, wurde sogar in Brandts Abiturzeugnis als dessen Vater genannt. Als Brandts Mutter 1927 heiratete, blieb der Junge bei seinem Großvater und dessen zweiter Frau zurück.
Ludwig Frahm hat seinen Enkel wohl in mehr als einer Hinsicht geprägt, denn er war selbst aktives Parteimitglied der SPD und ermutigte seinen Enkel, sich ebenfalls in der Partei zu engagieren. Willy Brandt war ab 1925 Mitglied einer Kindergruppe der Falken und seit 1929 der Sozialistischen Arbeiterjugend. Brandt, der im Jahr 1932 das Johanneum zu Lübeck mit bestandenem Abitur verließ, äußerste schon früh den Wunsch, als Journalist zu arbeiten und betätigte sich tatsächlich bereits als dreizehnjähriger Junge in dieser Richtung. Später schrieb er noch vor Vollendung seines Abiturs für den Volksboten. Von Julius Leber, dem Chefredakteur des Volksboten, sagte Brandt später, dieser habe ihn stark beeinflusst. Zwei Jahre vor seinem Abitur, im Jahr 1930, trat Brandt der SPD bei, nur um sie 1931 wieder zu verlassen und der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) beizutreten. In dieser Zeit brach er auch mit seinem ehemaligen Mentor Julius Leber. Da ihm das Geld für ein Studium fehlte, begann Brandt ein Volontariat bei der Lübecker F. H. Bertling KG.

Die Jahre der Emigration

Die SAPD wurde nach Hitlers Machtergreifung im Jahre 1933 verboten und arbeitete daraufhin aus dem Untergrund weiter gegen die Nationalsozialisten. Brandt emigrierte nach Norwegen, um in Oslo eine Zelle der SAPD aufzubauen. Neben seiner Parteiarbeit schrieb er für verschiedene Norweger Zeitungen. Ein Geschichtsstudium, das er zu dieser Zeit aufnahm, geriet dabei immer mehr in den Hintergrund und wurde auch nicht abgeschlossen. Im Winter 1936 kehrte Brandt unter dem Namen Gunnar Gaasland nach Deutschland zurück. Unter dieser falschen Identität studierte Brandt in Deutschland und arbeitete als Kriegsberichterstatter in Berlin. Um seiner falschen Identität gerecht zu werden, benutzte er sogar beim Sprechen einen norwegischen Akzent. Der echte Gunnar Gaasland war mit einer Jugendfreundin Willy Brandts verheiratet, um dieser die norwegische Staatsangehörigkeit zu verschaffen. Gaasland, der weiterhin in Norwegen lebte, hatte Brandt gestattet, seinen Namen zu benutzen. Für norwegische Zeitungen reiste Brandt nach Spanien, um dort über den spanischen Bürgerkrieg zu berichten. Als die deutsche Wehrmacht im Jahr 1940 Norwegen besetzte, geriet Willy Brandt in Gefangenschaft, wurde jedoch für einen Norweger gehalten und floh kurz nach seiner Freilassung nach Schweden. Während er in Stockholm lebte, wurde ihm die Staatsangehörigkeit Norwegens zugesprochen, um die er sich bemüht hatte, weil er im Herbst 1938 von der nationalsozialistischen Regierung ausgebürgert worden war. Zusammen mit zwei schwedischen Kollegen gründete Brandt eine Presseagentur, die schwedische Tageszeitungen mit Nachrichten belieferte. Bis zum Ende des Krieges lebte und arbeitete Willy Brandt in Stockholm.

Rückkehr nach Deutschland und erste politische Ämter

Im Jahr 1945 kehrte Willy Brandtals Korrespondent für verschiedene skandinavische Zeitungen nach Deutschland zurück. Als Presseattaché arbeitete er für die norwegische Regierung von Berlin aus. Im Sommer 1948 erhielt Willy Brandt seine deutsche Staatsbürgerschaft von der Landesregierung Schleswig-Holsteins zurück. Im Jahr 1949 nahm er offiziell den Namen Willy Brandt an, den er in den Zeiten seiner Verfolgung durch die Nationalsozialisten als Decknamen benutzt hatte. Ab 1949 saß Willy Brandt mit Unterbrechungen als Abgeordneter für die SPD im neugegründeten Deutschen Bundestag in Bonn. Insgesamt sollte er ihm 31 Jahre lang angehören. Im Jahr 1950 wurde Brandt Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und 1955 trat er die Nachfolge von Otto Suhr als Präsident des Abgeordnetenhauses an. Zwei Jahre später wurde Willy Brandt zum Bürgermeister Berlins gewählt, ein Amt, das er ebenfalls von Otto Suhr übernahm. In Willy Brandts Amtszeit fielen der Berliner Mauerbau und der Besuch des amerikanischen Präsident John F. Kennedy im Jahr 1963. Den stellvertretenden Parteivorsitz der SPD übernahm Willy Brandt 1962; bereits zwei Jahre später wurde er Parteivorsitzender der SPD. Als Kanzlerkandidat unterlag Brandt 1961 Konrad Adenauer und dann später 1965 Ludwig Erhard. Bei beiden Wahlkämpfen wurden sowohl Willy Brandts uneheliche Geburt als auch seine Jahre im Exil auf eine sehr persönliche und diffamierende Weise thematisiert. Eine Tatsache, die Brandt sehr verbitterte und nach seiner eigenen Aussage Spuren bei ihm hinterließ.

Kanzlerschaft und Entspannungspolitik

Unter dem Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger wurde im Jahr 1966 eine große Koalition zwischen CDU und SPD gebildet. Willy Brandt wurde im neu gebildeten Kabinett stellvertretender Bundeskanzler und Außenminister. Das Amt des Bundeskanzlers übernahm Willy Brandt nach der Bundestagswahl 1969. Die Amtszeit des neuen Bundeskanzlers war geprägt durch seinen Wunsch, in dieser Hochzeit des Kalten Krieges eine Annäherung und Versöhnung mit dem Ostblock anzustreben und seinem berühmt gewordenen Ausspruch, „mehr Demokratie wagen“ zu wollen. Diese Vorhaben Brandts wurden durch die Westmächte unterstützt.

Weltweit berühmt geworden ist Willy Brandts Kniefall in Warschau vor dem Mahnmal des Ghettoaufstandes von 1943 im Winter 1970. Dieser Kniefall, obgleich von einigen in Deutschland heftig kritisiert, war ein Akt von großer Symbolstärke, der einer der Meilensteine der beginnenden Entspannungspolitik wurde. Besonders in konservativen Kreisen wurde Brandts Ostpolitik stark kritisiert. Doch auch von linker Seite musste sich Brandt Kritik gefallen lassen; sein „Radikalenerlass“, der 1972 in Kraft trat und gegen verfassungsfeindliche Kräfte im öffentlichen Dienst eingesetzt werden sollte, brachte ihm wenig Freunde ein. Später distanzierte sich Brandt von diesem Erlass und nannte ihn sogar einen Fehler. Der Rückhalt für Brandts Politik schwand sogar in seinen eigenen Reihen. Nach einem Misstrauensvotum gegen ihn, dass Rainer Barzel initiiert hatte und nach dem die Koalition aus FDP und SPD keine handlungsfähige Mehrheit mehr besaß, stellte Willy Brandt als Konsequenz 1972 die Vertrauensfrage. Der Bundestag wurde aufgelöst und bei der 1972 stattfindenden Neuwahl wurden Brandt und seine Regierung im Amt bestätigt.

Zu den Höhepunkten von Brandts Zeit als Bundeskanzler gehört auch sein Besuch Israels im Sommer 1973, das er als erster deutscher Bundeskanzler bereiste. Bei einem Treffen von SPD und Gewerkschaftsspitzenfunktionären erklärte Brandt im Mai 1974 vor seinen Parteikollegen und den Funktionären der Partei offiziell seinen Rücktritt. Diesem Schritt waren mehrere politische Rückschläge und nicht zuletzt die Guillaume-Affäre vorangegangen. Guillaume war ein enger Mitarbeiter Brandts gewesen und als Spion der DDR enttarnt worden. Mit seinem Rücktritt übernahm Willy Brandt dafür die politische Verantwortung. Es wird jedoch angenommen, das zu dieser Zeit Willy Brandt neben den politischen auch private Gründe zu diesem Entschluss bewogen hatten. Bis zum Frühjahr 1987 blieb Willy Brandt jedoch Parteivorsitzender der SPD, bis er dieses Amt an Jochen Vogel abtrat. Auch politisch engagierte er sich weiter. Zum Ehrenvorsitzenden auf Lebenszeit wählte man Brandt im Sommer 1987. Auch war ihm die Ehre vergönnt, als Alterspräsident am 20. Dezember 1990 den ersten Gesamtdeutschen Bundestag eröffnen zu dürfen. Am 8. Oktober 1992 erlag Willy Brandt seinem Krebsleiden und wurde auf dem Waldfriedhof in Berlin beigesetzt.

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