UN-Kriegsverbrechertribunal

Die Bezeichnung UN-Kriegsverbrechertribunal ist ein umgangssprachliches Synonym für den internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY). Ebenfalls wird dieser oft als UN-Tribunal oder Haager Tribunal bezeichnet. Diese Termini sind jedoch keine offiziellen Betitelungen und werden zudem oft fälschlicher Weise auch als Synonyme für den Internationalen Strafgerichtshof verwendet. Auch der Internationale Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR) wird als UN-Kriegsverbrechertribunal bezeichnet, welcher, wie auch der ICTY, eine Vorgängereinrichtung des Internationalen Residualmechanismus für die Ad-hoc-Strafgerichtshöfe darstellt.

Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY)

Beim ICTY handelt es sich um den Ad-hoc-Strafgerichthof, welcher am 25. Mai 1993 durch die sogenannte Resolution 827 des UN-Sicherheitsrates in Den Haag geschaffen wurde. Die synonymen Kürzel für den ICTY lauten im Englischen ITC (International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia) und im Französischen TPIY (Tribunal pénal international pour l’ex-Yougoslavie). Konstituiert wurde der ICTY, um schwere Verbrechen zu verfolgen, welche seit 1991 während der Jugoslawienkriege begangen wurden. Seine Befugnisse umfassen die Verfolgung von Straftaten der folgenden vier Kategorien: Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verstöße gegen die Gesetze der Gebräuche des Krieges, schwere Verletzungen der Genfer Konventionen sowie Völkermord. Die Gerichtsbarkeit des ITCY befasst sich ausschließlich mit natürlichen Personen, nicht aber mit Regierungen oder Organisationen und ist einzelstaatlichen Gerichten übergeordnet. Der Gerichtshof kann keine Prozesse gegen nicht anwesende Personen führen. Da es einigen Angeklagten gelungen war, sich mehr als ein Jahrzehnt der Strafverfolgung zu entziehen, sind auch im Februar 2013 noch nicht alle Urteile gefällt worden.

Das höchstmögliche durch den ITCY zu verhängende Strafmaß besteht in einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Vollzogen werden muss eine durch den ITCY verhängte Strafe in einem der Länder, welche sich mit den Vereinten Nationen vertraglich zur Entgegennahme von Verurteilten verpflichtet haben. Es obliegt der Entscheidung des ITCY, ein Verfahren gegebenenfalls an ein zuständiges nationales Gericht zu überweisen, wie beispielsweise die Sonderkammer für Kriegsverbrechen am Bezirksgericht Belgrad. Durch die Medien, welche seit seiner Schaffung über den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien berichtet haben, etablierten sich als synonyme, umgangssprachliche Bezeichnungen Haager Tribunal, UN-Kriegsverbrechertribunal sowie UN-Tribunal für den ITCY. Die beiden letztgenannten sind auch umgangssprachliche Synonyme für den Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda.

Der Internationale Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR)

Der ICTR wurde als Ad-hoc-Strafgerichtshof durch den UN-Sicherheitsrat zwecks Aufklärung und Verfolgung von Straftaten während des Völkermords an den Tutsi in Ruanda im Jahr 1994 geschaffen. Grundlage für den ITCR sind die UN-Resolutionen 955 vom 08. November 1994, 978 vom 27. Februar 1995, 1165 vom 30. April 1998 sowie 977 vom 22. Februar 1995. In der letzteren Resolution wurde das tansianische Arusha als Sitz des Gerichtshofes festgelegt. Die synonymen Bezeichnungen für den ITCR lauten im Englischen ICTR (International Criminal Tribunal for Rwanda), im Französischen TPIR(Tribunal pénal international pour le Rwanda) und im Ruandischen beziehungsweise in Kinyarwanda: Urukiko Nshinjabyaha Mpuzamahanga rwagenewe u Rwanda. Seine Aufgaben umfassen die strafrechtliche Verfolgung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und dem Delikt des Völkermords, welche als Verletzungen des Artikels 3 der Genfer Konventionen anzusehen sind. Eine Anklage und Verurteilung wegen Völkermordes, Anstachelung zum Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfolgte im Rahmen der Strafverfolgung gegen Vertreter von Medien, welche den Völkermord in Ruanda anheizten. Die Angeklagten wurden zu lebenslanger beziehungsweise 35 Jahren Haft verurteilt. Im Dezember 2012 hat der ICTR das letzte Urteil in erster Instanz gefällt. Der frühere Planungsminister Augustin Ngirabatware wurde darin wegen Völkermordes an den Tutsi sowie der Anstachelung zu Völkermord und Vergewaltigung zu 35 Jahren Haft verurteilt.

Da noch nicht aller Berufungsverfahren abgeschlossen sind, die die Tribunale des ITCR und auch des ICTY derzeit beschäftigen, fungieren diese während einer geplanten Übergangszeit bis 2014 noch weiterhin parallel zum Internationale Residualmechanismus für die Ad-hoc-Strafgerichtshöfe.

Der Internationale Residualmechanismus für die Ad-hoc-Strafgerichtshöfe

Seit Juli 2012 wurde der Internationale Residualmechanismus für die Ablösung der Ad-hoc-Strafgerichtshöfe ICTY und ICTR geschaffen. International lauten die weiteren Bezeichnungen Residual Mechanism for Criminal Tribunals (IRMCT) sowie im Englischen Mechanism for International Criminal Tribunals (MICT). Beim IRMCT handelt es sich um einen internationalen Gerichtshof, welcher als Nachfolgeeinrichtung der Ad-hoc-Gerichtshöfe ICTY und ICTR eingerichtet wurde. Seine Zuständigkeiten, Funktionen, Rechte du Pflichten umfassen demzufolge sowohl in materieller und territorialer als auch in zeitlicher und personenbezogener Hinsicht dieselben Angelegenheiten, welche auch den Tribunalen von ICTY und ICTR noch bis 2014 zugeordnet sind. Grundlage für die Etablierung des IRMCT ist die UN-Resolution 1966, welche am 22. Dezember 2010 verabschiedet wurde. Der IRMCT kann als Rechtsnachfolger der Ad-hoc-Gerichtshöfe keine neuen Anklagen gegen Personen erheben. Er ist jedoch befugt, ab 2014 Strafverfahren und Berufungsverfahren gegen Personen zu führen, die von ICTY und ICTR angeklagt worden sind. Im Falle von Falschaussagen oder Strafvereitelungen vor dem IRMCT dürfen diesbezüglich jedoch weitere Verfahren eröffnet werden. Durch den internationalen Gerichtshof können ausschließlich Freiheitsstrafen verhängt werden.

Bei der Festlegung des Strafmaßes sollen sich die zuständigen Richter an den individuellen Umständen der Tat, der Schwere der Schuld sowie an den bisherigen Urteilen von ITCY oder ITCR orientieren. Des Weiteren soll der IRMCT auch laufende Verfahren überwachen, welche von den Ad-hoc-Gerichtshöfen an nationale Gerichte überwiesen worden sind. Um den Schutz von Opfern und Zeugen gewährleisten zu können, obliegt es dem IRMCT zudem, Maßnahmen zu ergreifen, wie die Überprüfung durch die Ad-hoc-Gerichtshöfe verurteilter Straftäter im Falle neuer Fakten. Auch die Verwaltung der Archive von ICTY und ICTR fällt zukünftig unter die Zuständigkeit des IRMCT. Der IRMCT ist ebenfalls von der synonymen Verwendung des umgangssprachlichen Begriffes des UN-Kriegsverbrechertribunals betroffen und wird fälschlicher Weise häufig mit dem Internationalen Strafgerichtshof verwechselt.

Der Internationalen Strafgerichtshof (IStGH)

Als ständiges internationales Strafgericht fungiert der IStGH mit Sitz im niederländischen Den Haag seit dem 01. Juli 2002. Die weiteren Bezeichnungen für das Strafgericht lauten im Englischen ICC (International Criminal Court) und im Französischen CPI (Cour pénale internationale). Der IStGH ist zuständig für Delikte, welche dem Völkerstrafrecht zuzuordnen sind. Letzteres umfasst Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Völkermord sowie das Delikt des Verbrechens der Aggression. Erst im Jahr 2010 ist das letztgenannte Delikt definiert worden und es war bislang noch nicht Grundlage einer Anklage. Die Beziehungen des Internationalen Strafgerichtshofes sind als die einer internationalen Organisation über ein Kooperationsabkommen geregelt. Laufende Verfahren, welche sich mit Ereignissen und Verbrechen während der Jugoslawienkriege und des Völkermordes an den Tutsi in Ruanda beschäftigen, obliegen nicht der Zuständigkeit des IStGH, sondern der von ICTY, ICTR und IRMCT. Durch die Art der Strafgerichtsbarkeit und möglicher Weise auch dadurch, dass sowohl ITCY als auch IStGH ihren Sitz in Den Haag haben, wird der internationale Strafgerichtshof häufig mit demselben verwechselt und fälschlicher Weise mit den umgangssprachlichen Bezeichnungen UN-Kriegsverbrechertribunal, UN-Tribunal und Haagener Tribunal betitelt.

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