Industrialisierung in Frankreich

Bereits im Mittelalter war das europäische Gebiet eine Gegend, die von großem, wirtschaftlichem Zusammenhalt geprägt wurde. Vor allem die häufige Verschiebung von Grenzen durch Abkommen oder Kriege zeigt, dass in Europa stets dynamische Prozesse stattfanden, die Europa, aber auch die ganze Welt verändert haben. Bereits im 14. Jahrhundert war Frankreich als eine starke Wirtschaftsmacht bekannt. Der Begriff des Merkantilismus stammt aus dem Französischen, was darauf schließen lässt, dass Frankreich an der Entwicklung des Merkantilismus maßgeblich beteiligt war.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit wurden im 16. Jahrhundert Wirtschaft, Politik und Geld als Einheit und auf theoretischem, wissenschaftlichen Niveau diskutiert. In dieser Zeit entwickelten sich die ersten Strategien, wie ein Staat finanzpolitisch agieren muss, um die eigene Verteidigungskraft und das Beamtentum sicher und stabil bezahlen zu können. Außenpolitisch führte das zu Handelsabkommen und einer expliziten Exportwirtschaft. Innenpolitisch jedoch führte der Merkantilismus zu ersten Eingriffen des Staates in die landeseigene Wirtschaft. Die Grundlagen des Kapitalismus waren gelegt. In verschiedenen Gebieten Frankreich entstanden in dieser Zeit erste Zentren für Produktion, die die Wirtschaftsstrukturen in Frankreich stark prägten. Dank der großen Leinenwebereien entwickelte sich die textile Verarbeitung zu einem ersten Industriezweig.

Der Lauf der Industrialisierung

Trotz dessen der Merkantilismus wichtige vorbereitende Schritte auf dem Weg zur Industrialisierung gelegt hat, fand der eigentliche Prozess der Industrialisierung in Frankreich relativ spät statt. Im Vergleich zu den eigentlich wirtschaftlich leicht unterlegenden Nachbarstaaten, das Deutsche Reich und Großbritannien, setzten die Prozesse weg von lokalen Geschäften und regionaler Versorgung hin zu zentralen Unternehmen und maschinellen Arbeitsschritten sehr spät ein. Das lag vor allem an den Nachwirkungen der Französischen Revolution.

Während im Deutschen Reich und in Großbritannien geforscht wurde und der Aufbruch in neue, unbekannte Zeiten gewagt wurde, blieb man in Frankreich bodenständig. Gebeutelt durch starke, nationale Änderungen und Wirrungen scheute man in Frankreich die Auseinandersetzung mit dem neuen. So blieb zum Beispiel die Erfindung der Dampfmaschine in Frankreich erst einmal folgenlos, während das Deutsche Reich diese Erfindung schnell für sich zu nutzen wusste.

Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren Frankreich und seine Bürger so weit, die Vorteile in den Neuerungen zu entdecken und für das eigene zu nutzen. So wurde die Dampfmaschine mit der gut ausgebildeten Merkantilismus-Struktur im Lande verschmolzen und der Textilsektor, der ohnehin sehr stark in Frankreich war, erlebte einen ungeahnten Aufschwung. Diese Modernisierung einer gesamten Branche löste eine Welle der Begeisterung und allgemein Aufbruchsstimmung im Land aus. Somit war die Grundlage für die Industrialisierung in Frankreich gelegt.

Öffnung gegenüber der internationalen Politik

In der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte Frankreich es dann geschafft, sich gegenüber der internationalen Politik zu öffnen. Wirtschaftsabkommen mit anderen europäischen Ländern wurden geschlossen. Strategisch wichtige Kolonien wurden gekauft und internationale Treffen und Ausstellungen wurden arrangiert. Nun war auch Frankreich ein Teil der europäischen Industrialisierungsbewegungen.

Bis hin zum ersten Weltkrieg wurde die französische Industrie immer stärker und die Infrastruktur verbesserte sich deutlich. Auf der anderen Seite hatte das Land auch starke, finanzielle Einbußen zu beklagen, die zum Beispiel im deutsch-französischen Krieg begründet waren. So war es zwar möglich, dass die Industrialisierung das Land veränderte und zu neuen Technologien im Land wie zum Beispiel schnellen Zugverbindungen führte. Doch Frankreich hatte seine Vormachtstellung in Europa verloren und konnte sie auch während der Industrialisierung nicht wieder erlangen.

In einigen Bereichen war der Staat zu Zeiten der Industrialisierung zwar wettbewerbsfähig, aber keinesfalls führend. Vor allem in der Schlüsselindustrie der Industrialisierung, dem Stahlsektor, schaffte Frankreich bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Anschluss an die führenden, europäischen Staaten nicht.

Branchen, Land und Leute

Historisch gesehen war die Textilindustrie die zu Zeiten des Merkantilismus, also vor der Industrialisierung der größte und stabilste Wirtschaftszweig in Frankreich. Doch wie in anderen Branchen auch blieb in diesem Wirtschaftszweig die flächendeckende Technisierung aus. So geschah es, das noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als das Deutsche Reich und Großbritannien bereits weitgehend industriell wirtschafteten, ausblieben. Die Textilwirtschaft wirkte weiterhin sehr merkantilistisch.

Erst die Weiterentwicklung der chemischen Industrie brachte auch Innovationen in der Textilbranche. Vor allem aber auch für die Landwirtschaft war die chemische Industrie von großem Nutzen und brachte erhebliche Ertragssteigerungen. Sowohl die Metallindustrie als auch der Bergbau waren im Vergleich zu den führenden, europäischen Staaten weit abgeschlagen. Vor allem Kohleknappheit durch fehlende Kolonien machte Frankreich zu schaffen.

Erst durch wesentliche Verbesserungen der nationalen Infrastruktur brachten auf diesem Sektor Verbesserungen durch stark gesenkte Transportkosten. Hier besaß das Land auch einen enormen Wettbewerbsvorteil, da viele Straßen und Wege aus Zeiten des alten Roms noch erhalten waren und als Basis genutzt werden konnten. Doch nicht nur auf dem Land, auch zu Wasser wurde die Infrastruktur in Angriff genommen, was zu weiteren Verbesserungen der französischen Stellung in Europa während der Industrialisierung führte. Doch aufgrund der wirtschaftlichen Probleme und der fehlenden Rohstoffe ging der Bau von Eisenbahnlinien nicht so rasant voran wie in den Nachbarländern. Das führte dazu, dass sich die Wirtschaftslage Frankreichs zwar verbesserte, aber an die Entwicklungen des Deutschen Reichs und Großbritanniens nicht heran reichte.

Vor allem an der Entwicklung der Demografie kann man diese Probleme und die daraus resultierenden Konsequenzen erkennen. Während in vielen anderen europäischen Ländern eine starke Abwanderung vom Land in die Städte zu verzeichnen war, wuchsen die Städte in Frankreich nur langsam.

Fazit

Zusammenfassend ist also festzustellen, dass die Industrialisierung in Frankreich sehr langsam von statten ging und nicht an die Ausmaße in den Nachbarländern heran reichte. Das geringe wirtschaftliche Wachstum in Land hatte zwar auf die finanzielle Lage des gesamten Landes und dessen Position in Europa negative Auswirkungen, jedoch nicht zwingender Weise auf die damalige Lage der Bevölkerung.

Die Industrialisierung in anderen Ländern ging so schnell voran, dass sie auch als industrielle Revolution bezeichnet wurde. Dies brachte viele Neuerungen und Vorteile hervor, jedoch auch gravierende Nachteile. Durch wegfallende, manuelle Arbeitsschritte in vielen Bereichen gab es zahlreiche Menschen ohne Arbeit und Einkommen, die während der Industrialisierung verarmten.

Dieses Phänomen trat in Frankreich kaum auf. Durch die langsamen Veränderungen im Land konnte sich die Bevölkerung langsam mit den neuen Lebensumständen arrangieren und Lebenskonzepte entwerfen. Auch wenn der Lebensstandard allgemein im Land verglichen mit anderen europäischen Staaten recht gering war, so gab es die große Schere zwischen Profiteuren der Industrialisierung und den Verlierern in dieser Art nicht. Auf diese Weise konnte Frankreich bis zu Beginn des Ersten Weltkriegs eine stabile, gesund gemischte Industrie aufbauen.

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