Nessie – Monster von Loch Ness

Das berühmte Ungeheuer von Loch Ness ist ein sogenannter Kryptid. Hierunter versteht man ein Wesen, das es womöglich gibt und womöglich auch nicht. Neben „Nessie“ gibt es eine Reihe weiterer verborgener Kreaturen, nach denen gefahndet wird, etwa das Mokele Mbembe, ein Saurier im Dschungel des Kongo, der legendäre Yeti aus dem nepalesischen Hochgebirge oder der Orang Pendek, ein möglicher Vormensch auf Sumatra. Darüber hinaus wird nach ausgestorbenen Tieren gesucht, die womöglich noch nicht ausgestorben sind, etwa der australische Beutelwolf oder das südamerikanische Mapinguari, ein Riesenfaultier, das nach der letzten Eiszeit ausgestorben sein soll. Die grenzwissenschaftliche Disziplin, welche sich dieser Forschung verschrieben hat, wird als Kryptozoologie bezeichnet. Neben dem Yeti ist das Ungeheuer von Loch Ness sicher das bekannteste Rätseltier auf dem Planeten, obwohl auch aus anderen Seen in Skandinavien, Irland oder Nordamerika vergleichbare Monster gemeldet werden oder Teil der Überlieferung sind.

Nessie: Historische Überlieferungen und Gegenwart

Bereits der heilige Columban erwähnt in einer Schrift aus dem Jahr 565 n. Chr. ein Ungeheuer, welches in dem See Loch Ness zu Hause sei und Menschen angreife. Im 19. Jahrhundert tauchten abermals Warnungen auf, man solle das Seeufer meiden. Im Jahr 1933 schließlich gelangte der Fall in die Zeitungen, als ein Ehepaar behauptete, ein Tier mit einem Walkörper und einem Schlangenhals gesehen zu haben. Seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wird intensiv und mit hochtechnischen Mitteln nach „Nessie“ gesucht. Neben äußerst umstrittenen Fotos gibt es Hinweise auf Lebewesen mit rhombusartigen Flossen, welche sich nicht wie ein Fisch bewegen. Ob es sich hier um „Nessie“ handelt, ist nicht geklärt, zumal das Monster eine Länge von etwa 10 Metern haben soll und angeblich sogar Rennboote umwerfen kann. Viele Komiker und Menschen, die Profit machen möchten, erschweren eine neutrale und vernünftige Suche nach dem rätselhaften Wesen. Immerhin gibt es fossile Funde in der Gegend, welche von einem Tier stammen, das tatsächlich so ausgesehen haben dürfte, wie „Nessie“ allenthalben beschrieben wird. Die Fossilien sind allerdings etwa 130 Millionen Jahre alt.

Was für das Monster sprechen könnte

Die schottischen Seen entstanden erst nach dem Ende der Eiszeit und waren davor mit dem Meer verbunden. „Nessie“ könnte also ein Meereswesen gewesen sein, das sich späterhin dem nun einfließenden Süßwasser langsam anpassen konnte. Da der See seither von anderen Einflüssen abgeschnitten ist, könnte sich eine eigene Fauna entwickelt oder erhalten haben. Im Meer werden Kreaturen wie das Ungeheuer von Loch Ness vermutet und bisweilen auch gesichtet. So sind die Drachenköpfe an den Schiffen der Wikinger wohl einem Ungeheuer nachempfunden, das tatsächlich in den nördlichen Meeren vorgekommen sein muss. Auch nordamerikanische Indianer haben ähnliche Wesen auf ihren Totempfählen abgebildet; in den Mägen von Pottwälen wurden entsprechende Kadaverstücke häufig gefunden, wobei es sich vermutlich um Jungtiere handelt. Der See von Loch Ness ist immerhin mehr als 250 Meter tief, so dass auch ein großes Wesen im trüben Wasser durchaus unentdeckt existieren könnte.

Was dagegen spricht

Neben den offenkundigen Fälschungen, mit denen Menschen Geld verdienen oder einfach nur berühmt werden möchten, stellt sich zunächst die Frage nach der Ernährung eines solchen Ungeheuers: Da „Nessie“ wie erwähnt bereits seit 1.500 Jahren bekannt ist, kann es sich unmöglich um ein einziges Tier handeln. Eine Population von mindestens 10 – 15 erwachsenen Exemplaren wird als zwingend für die Arterhaltung angesehen. Es ist fraglich, ob ein Binnensee genügend Nahrung für so viele Monster dieser Größe hervorbringen kann. Dazu ist der See relativ kalt. „Nessie“ wird jedoch von seinem Äußeren her so beschrieben, dass man einen Plesiosaurus dahinter vermuten müsste, also ein Reptil. Reptilien können in einem so kalten Gewässer unter normalen Umständen ihre Temperatur nicht halten und würden unweigerlich verenden, es sei denn, es hätte sich ein evolutionärer Prozess in bedeutender Geschwindigkeit vollzogen oder der See wäre unterirdisch mit dem Meer verbunden und die erwachsenen Tiere kämen lediglich zum Laichen hierher, was allerdings weder hier noch an den anderen Monster-Seen der Welt belegbar ist. Auch die Möglichkeit, dass „Nessie“ ein Fisch ist, der lediglich aussieht wie ein Saurier, ist unwahrscheinlich.

Warum „Nessie“ trotzdem existiert

Im Grunde genommen ist es vollkommen unerheblich, ob es das berühmte Ungeheuer gibt oder nicht: Es erfüllt einen sehr profanen Zweck. Das Rätseltier ist ein Devisenbringer erster Güte und hat der ansonsten kargen Gegend im schottischen Hochland nicht nur weltweite Berühmtheit sondern auch einen florierenden Tourismus beschert. Ausgebuchte Hotelzimmer und eine wahre Nessie-Industrie sorgen für Arbeit und einen bescheidenen Wohlstand in einer ansonsten eher ärmlichen Region. Für viele Menschen ist zudem die Vorstellung wenig erbaulich, es gebe tatsächlich keine Geheimnisse mehr auf der Welt. Die zunehmende Enträtselung des Lebens durch die Wissenschaft hinterlässt bei vielen Menschen eine gewisse Enttäuschung und vielleicht auch eine Sinnleere, die sich in zunehmenden spiritistischen und esoterischen Aktivitäten immer breiterer Gesellschaftsschichten äußert. Auch der Glaube an ein Ungeheuer mag dazu dienen, sich mit dem Gedanken zu trösten, dass die Welt und auch das Leben weit mehr zu bieten haben, als die schnöde Wissenschaft behauptet und zulässt. Vor diesem Hintergrund kann man „Nessie“ und seine geheimnisvollen Pendants zu Wasser und zu Land womöglich ähnlich deuten wie UFOs oder Wundererscheinungen: Als Ausdruck der Phantasie und auch als Ausdruck der Sehnsucht nach einem Leben voller Geheimnisse mit der Hoffnung auf ein glückliches Ende, vielleicht sogar als Ausdruck eines der Menschheit angeborenen Drangs nach dem Übersinnlichen und Unbegreiflichen, der sich in Religionen, aber auch in mythischen Wünschen seine Bahn bricht.

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