Interview: Welche Rolle spielt interkulturelles Training in einer globalisierten Welt?

Die Globalisierung der Arbeitswelt wird für viele Arbeitnehmer immer wichtiger, gerade weil viele deutsche Unternehmen in den letzten Jahren ihre Fühler in Richtung Asien oder USA ausgestreckt haben: Fabriken werden gebaut, Unternehmen übernommen, Dependancen gegründet, groß gedacht.

Doch Geschäfte werden zwischen Menschen gemacht, nicht zwischen Unternehmen. Wie wichtig sind also interkulturelle Coachings – und was läuft schief, wenn wir es ohne versuchen? Wir haben uns mit Rainer Beekes zum Interview getroffen, Experte für interkulturelle Trainings.

Herr Beekes, Hand aufs Herz: Welche Rolle spielen Vorurteile und Stereotypen beim Umgang mit fremden Kulturen?

Rainer Beekes: Jeder Mensch sieht die Welt durch seine „eigene kulturelle Brille“. Wenn man auf Verhaltensweisen stößt, die man nicht kennt, ist man schnell dabei, diese Verhaltensweisen als unlogisch, schlecht oder gar idiotisch zu interpretieren.

Vorurteile und Stereotype spielen dabei eine große Rolle, denn gerade diese unterfüttern die negativen Interpretationen. Umgekehrt verführen positive Vorurteile oder Stereotype dazu, Dinge nicht zu hinterfragen, ob sie auch sinnvoll sind.

Woran scheitern internationale Projekte in Bezug auf den „Auslandsknigge“?

Rainer Beekes: Ein „Auslandsknigge“ in diesem Sinn gibt es nicht. Sicher werden chinesische Geschäftspartner beeindruckt sein, wenn Sie Ihre Stäbchen beim Essen richtig halten. Einen vorteilhaften Vertragsabschluss garantiert dies aber nicht. Viele Leute möchten sich an Dos and Don’ts orientieren, weil es so schön einfach ist und nicht viel erfordert.

Das reicht aber nicht aus! Tatsächlich scheitern internationale Projekte daran, dass grundlegenden Unterschiede schlichtweg negiert werden. Hier geht es beispielsweise um Hierarchieverständnisse, Kommunikationsverhalten und unterschiedliche Zeitverständnisse. Diese Liste ließe sich fortsetzen.

Ist es sinnvoller, bei der Kommunikation mit dem Ausland sich Differenzen bewusst zu machen oder wird eher eine Verschmelzung angestrebt?

Rainer Beekes: Im ersten Schritt geht es natürlich darum, sich der Differenzen bewusst zu werden. Hierzu zählt auch, sich der eigenen kulturellen Verhaltensweise bewusst zu werden. Darauf aufbauend kann man Strategien entwickeln, wie man diese Differenzen überbrückt. Dabei sollte man jedoch darauf achten, authentisch und damit glaubwürdig zu bleiben. Ein wichtiger Faktor ist gegenseitiger Respekt. Wenn dies gegeben ist, werden auch manche „Faux-pas“ erfolgreich überbrückt.

Wie wichtig sind interkulturelle Trainings? Gibt es eine Tendenz dazu, dass sich so etwas wie ein „internationaler Business-Standard“ etabliert?

Rainer Beekes: Interkulturelle Trainings sind der erste Schritt für eine erfolgreiche interkulturelle Zusammenarbeit. Sie können die Basis legen, auf der man in der wirtschaftlichen Praxis aufbauen kann. Ein internationaler Business-Standard in diesem Sinne existiert nicht. Vielleicht noch nicht.

Selbstverständlich agieren alle Beteiligten aus der Absicht heraus, gute Geschäfte zu machen und tragen in der Regel Anzug, Krawatte oder Kostüm. Sie agieren aber gleichzeitig aus ihrer eigenen Kultur heraus. Auch wenn die USA sowohl auf der akademischen wie auch praktischen Ebene Rollenmodelle für die Wirtschaft vorgegeben haben, bedeutet dies nicht, dass sich alle Beteiligten wie Amerikaner verhalten.

Ist die Business-Etikette in Deutschland eher streng im Vergleich zu anderen Ländern?

Rainer Beekes: Durchaus nicht. In Deutschland gibt es wie in allen anderen Ländern auch eine gewisse Business-Etikette, die man kennen sollte. Es ist jedoch nicht so, dass Abweichungen generell zackig-preußisch sanktioniert werden.

Haben Sie vielleicht ein Praxisbeispiel parat, einen Worst Case, bei dem ohne interkulturelles Training etwas richtig schief gelaufen ist?

Rainer Beekes: Ich bin mir nicht bewusst, inwieweit die Mitarbeiter bei BMW und Daimler auf die kulturellen Unterschiede zwischen Großbritannien (BMW-Rover) und USA (Daimler und Chrysler) vorbereitet wurden. Hingegen weiß ich, dass es in beiden Fällen sehr viele kulturelle Reibungsflächen gegeben hat, die letztlich zum Scheitern beider Übernahmen signifikant beigetragen haben.

Des Weiteren kenne ich zwei Fälle aus meiner beruflichen Erfahrung, als deutsche Manager in einem asiatischen Land abberufen werden mussten, weil sie durch ihr Verhalten untragbar geworden waren.

Ein interkulturelles Training ist aber auch keine Erfolgsversicherung. Es kann die Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit im und mit dem Ausland legen. Für einen Erfolg sind zusätzlich aber auch andere Faktoren wichtig, wie z.B. die jeweilige Persönlichkeit, Einstellung und Haltung. Im übertragenen Sinne:

Jeder Fußballtrainer analysiert die kommende gegnerische Mannschaft, um die eigene Taktik darauf einzustellen. Wenn man einfach nur drauflos kickt, kann man natürlich auch mal gewinnen. Jedoch ist die Erfolgschance ungleich größer, wenn man sich ordentlich vorbereitet.

Sind aktuelle Trends bei Business-Coachings erkennbar, also werden z.B. vermehrt vor-Ort-Trainings oder Webinare angeboten?

Rainer Beekes: Grundsätzlich gibt es ja den Trend, moderne Kommunikationsmedien zu nutzen, um Zeit und Geld zu sparen. Dies ist im Falle von interkulturellen Trainings kaum zu beobachten, da virtuelle Seminare nur sehr begrenzte Vorteile, jedoch viele Nachteile bieten. Dies gilt vor allem bezüglich der Einschränkungen bei der Interaktion.

Für eine reine Wissensvermittlung mag es angehen, ein Webinar zu veranstalten. Aber dafür könnten Sie sich auch ein Buch kaufen. Vielmehr geht es darum, in den interkulturellen Trainings nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern gezielt kulturelle Unterschiede erfahrbar zu machen und geeignete Handlungsstrategien zu entwickeln, d.h. einen Wissenstransfer zu generieren.

Aus diesem Grunde konzentriert sich Global Cultures auf „Live-Seminare“, da hier die besten Ergebnisse erzielt werden. Abgesehen davon sind Webinare auch nur immer so gut wie die technischen Möglichkeiten, und auch hier gibt es dramatische Unterschiede.

Vielen Dank für das Interview, Herr Beekes!

Über den Experten: Rainer Beekes ist interkultureller Experte aus der wirtschaftlichen Praxis. Während seiner Unternehmenslaufbahn war er über 25 Jahre für multinationale Konzerne in fünf Ländern in Linien- und Führungspositionen tätig. Der studierte Betriebswirt und Master of International Management (MIM) leitet die Global Cultures Akademie für interkulturelles Management, die für 112 Länder und Regionen interkulturelles Training anbietet.

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