Amoklauf Emsdetten

Am 20.11.2006 machte sich der 18-jährige Bastian B. mit mehreren Schusswaffen, Rohrbomben und Messern auf den Weg zu seiner Schule im nordrhein-westfälischen Emsdetten. Was sich daraufhin ereignete, zählt vor allem dank des enormen medialen Echos zu den bekanntesten Amokläufen der jüngeren deutschen Geschichte.

Der Amoklauf des Bastian B. – die Vorgeschichte

Bastian B. galt als ruhiger und zurückhaltender Schüler. Während seiner Schulzeit wurde er laut Zeugenaussagen immer wieder Opfer von Mobbingattacken. In seiner Freizeit befasste er sich hauptsächlich mit Waffen. Teils probierte er diese im Wald aus und filmte seine „Abenteuer“, um sie danach online zu stellen. Im Internet war B. unter dem Namen ResistantX bekannt. Er war ein großer Fan von Egoshootern, schrieb unter seinem Nickname aber auch in Foren, die sich beispielsweise mit Special Effects für Hobbyfilmer befassen. B. betrieb zudem eine eigene Homepage, auf welcher er den Amoklauf mehrfach ankündigte. Dort veröffentlichte er auch seinen Abschiedsbrief, in dem er ausführte, dass ihm die Gesellschaft zu wenig Freiheiten ließe. Im Speziellen wies er auf einen Vorfall während einer öffentlichen Veranstaltung hin. Dort war ihm von der Polizei eine Gaspistole abgenommen worden, die er im Streit auf einen anderen Gast gerichtet hatte. B. war der Auffassung, dass ihm niemand seine Waffen wegnehmen dürfe – auch nicht die Polizei, da diese ja selbst über Waffen verfüge. Am 21.11.2006 hätte sich Bastian B. wegen dieser Angelegenheit vor Gericht verantworten müssen. Doch dazu kam es nicht mehr, denn er richtete sich nach seinem Amoklauf selbst.

Der Tattag – so verlief der Amoklauf

Der Amoklauf ereignete sich an der Geschwister-Scholl-Realschule in Emsdetten, die Bastian B. zum Tatzeitpunkt bereits nicht mehr besuchte. Laut der offiziellen Protokolle erreichte er die Schule gegen 9:20 Uhr mit dem Auto. Im Wagen hatte er zahlreiche Waffen, darunter Pistolen und Gewehre mit abgesägtem Lauf, aber auch eine Machete und mehrere Bomben deponiert. Er nahm schließlich 8 Rohrbomben (3 am Körper, 5 im Rucksack), zwei Gewehre, eine Pistole und ein Messer mit zum Schulgebäude. Auf dem Weg dorthin begegnete er bereits dem Hausmeister der Schule sowie mehreren Schülern, auf die er sogleich schoss. Drei der Schüler sowie der Hausmeister wurden dabei verletzt. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde deutlich, dass Bastian B. sich seine Opfer wahllos aussuchte. Zwar wurde in seinem Tagebuch während der Ermittlungen eine Liste „primärer Personenziele“ gefunden, diese hatte er allerdings durchgestrichen.

Nachdem Bastian B. die ersten Schüsse abgegeben und eine Rauchbombe gezündet hatte, betrat er schließlich das Schulgebäude. Mittlerweile gab es fünf Opfer, eine Lehrerin hatte durch die Rauchbombe Verletzungen erlitten. Im Gebäude war das Vorgehen B.s nicht weniger wahllos als zuvor. Er verletzte weitere Schüler durch Schüsse und zündete erneut Rauchbomben. Bereits um 9:34 Uhr, also 14 Minuten nach seinem Eintreffen an der Schule, erreichten die ersten Einsatzkräfte der Polizei den Tatort. Diese waren für einen solchen Notfall allerdings nicht gerüstet und hatten wegen der Rauchbomben große Schwierigkeiten, sich ins Gebäude vorzuarbeiten. Erst eine halbe Stunde darauf war es einem aus Münster stammenden Sondereinsatzkommando möglich, sich zu Bastian B. vorzukämpfen. Dieser war zu dem Zeitpunkt bereits tot – er hatte durch einen Kopfschuss Suizid begangen. Die Ermittler konnte die Leiche des Amokläufers allerdings nicht sogleich bergen, was an den Sprengsätzen lag, die er an seinem Körper befestigt hatte. Hierfür mussten Spezialisten anrücken, die dafür sorgten, dass es während des Transports der Leiche keine weiteren Explosionen gab.

Erst am späten Nachmittag des Tattages konnte eine Bilanz des Amoklaufs gezogen werden. Bastian B. war das einzige Todesopfer, laut den Ermittlern mussten zwischen sechs und sieben Personen mit Schussverletzungen behandelt werden, zudem die Lehrerin, die Verbrennungen im Gesicht erlitten hatte.

Mediales Echo

Der Amoklauf von Emsdetten wurde und wird in den Medien generell als Tat charakterisiert, die glimpflich verlaufen ist, was daran liegt, dass außer dem Amokläufer selbst niemand zu Tode kam. Bemerkenswert ist das große Interesse, das der Tat vor allem von der Internet-Community entgegengebracht worden ist. So wurde noch am Tattag publik, dass es sich bei Bastian B. um den in vielen Foren und Gemeinschaften bekannten User ResistantX handelte. Es wurde praktisch live mitverfolgt, wie die Polizei nach und nach seine Seite sowie seine Beiträge sperrte.

Dies veranlasste viele User dazu, die Inhalte auf ihren Computern abzuspeichern und sie später selbst zu veröffentlichen. So gelangten Teile von Bastian B.’s Abschiedsbrief schnell in Umlauf. Doch nicht nur im Internet schlug der Fall hohe Wellen, sondern er wurde auch fürs Theater aufgearbeitet. Der Lyriker und Dramatiker Lars Norén, der unter anderem für sein Stück „Krieg“ bekannt ist, verfasste mithilfe der Aufzeichnungen von Bastian B. einen Theater-Monolog, den die Performance-Künstlerin Anne Tismer zum Besten gab. In den öffentlichen Medien spielten die Gedankengänge des Amokläufers eine untergeordnete Rolle – vielmehr entfachte seine Tat eine neuerliche Diskussion um ein mögliches Verbot sogenannter „Ballerspiele„. Diese Maßnahme wird immer wieder gefordert, wenn es zu Amokläufen durch Jugendliche und junge Erwachsene kommt, doch da sich diese besagte Spiele problemlos aus dem Internet herunterladen könnten, ist der Sinn eines entsprechenden Verbotes nach wie vor umstritten.

Der Fall Bastian B.’s wurde in den Jahren 2006 und 2007 immer wieder medial beleuchtet, unter anderem auch unter der Verwendung von Passagen aus seinem Tagebuch und seinem Abschiedsbrief. Ein genaues Motiv konnte dabei nicht gefunden werden und es werden bis heute Lebensfrust, Ärger in der Schule sowie eine geringe soziale Integration als Gründe für die Tat vermutet.

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