Vril Gesellschaft

Bei der Vril-Gesellschaft handelt es sich um eine esoterische Geheimgesellschaft, die in der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhundert existiert haben soll. In der zeitgenössischen Literatur wurde sie in erste Linie in pseudohistorischen und pseudowissenschaftlichen Texten erwähnt, häufig auch im Zusammenhang mit entsprechenden Verschwörungstheorien. Der Vril-Gesellschaft wird außerdem eine maßgebliche Rolle am Aufstieg des Nationalsozialismus in der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts zugeschrieben, den sie aus dem Geheimen heraus gefördert haben soll. Des weiteren soll die Vril-Gesellschaft im NS-Staat eine tragende Rolle ausgefüllt haben, insbesondere bei der Entwicklung neuer Technologien. In diesem Zusammenhang wird oft auf neuartige Fluggeräte verwiesen, vor allem die häufig zitierte so genannte „Reichsflugscheibe“ soll von der Vril-Gesellschaft entwickelt worden sein. Einen tatsächlichen wissenschaftlich begründeten Beweis für die Existenz einer solchen Vril-Gesellschaft gibt es dennoch nicht, sie kann vielmehr als Erfindung der in der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts existierenden politischen und okkulten Gruppierungen gelten.

Der Begriff „Vril“ und seine Geschichte

Mit seinem im Jahre 1871 erschienenen Roman „The Coming Race“ führte der Engländer Edward Bulwer-Lytton den Begriff „Vril“ in den zeitgenössischen Diskurs ein. Die etymologische Herkunft dieses Wortes fußt wahrscheinlich auf dem lateinischen Wort „virilis“, dessen Bedeutung nicht nur „männlich“, sondern ganz allgemein gesprochen auch den Begriff „kraftvoll“ umfasst. Im Rahmen seines Romans „The Coming Race“ berichtet Edward Bulwer-Lytton in Form des damals beliebten fiktiven Reiseberichts von einem unter der Erde lebenden Geschlecht von Übermenschen, die sich Vril-Ya nennen, sich aus der bekannten Menschheit entwickelt haben und eine als „Vril“ bezeichnete Kraft nutzen. Der Roman selbst ist dem Genre der wissenschaftlich-technischen Utopie zuzurechnen, obwohl er immer wieder als früher Science-Fiction-Roman eingestuft wird. Ursprünglich als Satire konzipiert wollte Edward Bulwer-Lytton die Folgen der damals aktuellen gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Strömungen parodieren und aufzeigen, wohin diese letzten Endes führen können. Vorrangiges Ziel seiner Satire waren sozialdarwinistische Strömungen, frühsozialistische Utopien einer perfekten Gesellschaft sowie die damals in ihren Anfängen stehende Frauenbewegung. „The Coming Race“ ist geprägt von großem Kulturpessimismus, einer im viktorianischen England durchaus verbreiteten Geisteshaltung, die als Folge des dort bereits voll ausgeprägten „Maschinenzeitalters“ gesehen werden kann.

Okkultismus im 20. Jahrhundert und „Vril“

Zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts wurde der Begriff „Vril“ von Helena Blavatsky, der Begründerin der Theosophie, wieder aufgenommen und in ihren Schriften als real existierende Kraft beschrieben. Der von Edward Bulwer-Lytton ursprünglich intendierte Satirecharakter ging dadurch verloren und Blavatsky bezeichnete Vril als eine psychische Kraft, die der Menschheit und ihren Mystikern und Magiern seit ihrem Beginn zur Verfügung steht. Unabhängig von der Rezeption durch Blavatsky gingen zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts viele okkultistische Zirkel davon aus, dass Edward Bulwer-Lytton selbst dem Rosenkreuzer-orden angehörte und mit Vril eine tatsächlich existierende Kraft beschrieb. Sein Roman „The Coming Race“ wird dieser Interpretation zufolge als Versuch aufgefasst, Menschen außerhalb des Rosenkreuzer-Ordens über das Vorhandensein der Vril-Kraft aufzuklären. Edward Bulwer-Lytton ist jedoch keinerlei Verbindung zu den Rosenkreuzern oder ähnlichen okkultistischen Gruppierungen nachzuweisen. Zwar interessierte er sich in jungen Jahren für Okkultismus und Magie, verwarf diese Überlegungen aber im laufe seines Lebens wieder und wurde schließlich Anhänger einer naturwissenschaftlich begründeten Weltanschauung.

Anfänge und Kontext einer mutmaßlichen Vril-Gesellschaft

Da es sich bei „Vril“ nicht nur um ein damals verbreitetes Konzept handelte und es einige Popularität genoss, gründete sich im Jahre 1904 in London der „Vril-Ya-Club“, der sich mit entsprechend esoterischen Themen, wie beispielsweise der Suche nach der Vril-Kraft, auseinandersetzte. In diesem Zusammenhang ist es für das Verständnis wichtig darzulegen, dass die in immer stärkerem Maße naturwissenschaftlich-technisch ausgerichtete moderne Zeit bei vielen Menschen für Unbehagen, Angst und Ablehnung führte. Aus diesem Mechanismus erklärt sich die verstärkte Hinwendung und zunehmende Popularität okkultistischer und esoterischer Weltanschauungen vom Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts bis in die Dreißiger Jahre hinein.
Gerade ein pseudowissenschaftliches Konzept wie das der „Vril-Kraft“ bot entsprechendes Potential, einen Erklärungsansatz für viele neu entdeckte Naturphänomene zu liefern, der Naturwissenschaft ein esoterisches Gegengewicht zu setzen und analoge Erklärungsversuche zu bieten. Quantentheorie und Relativitätstheorie erschüttern das Weltbild der Zeitgenossen zusätzlich und verhalfen gerade in den Zwanziger Jahren der Esoterik und zahlreichen Laientheorien zu einem großen Publikum. Die so genannte „Wahrheitsgesellschaft“ war ein in Berlin existierender Zusammenschluss von Menschen, die vor Beginn des Zweiten Weltkriegs nach Vril suchten und ein Magazin publizierten. In den Dreißiger Jahren veröffentlichte die so genannte „Reichsarbeitsgemeinschaft ‚Das kommende Deutschland“ zwei Schriften, in denen behauptet wird, die Vril-Kraft gefunden zu haben. Die RAG behauptet außerdem, über technische Innovationen zu verfügen, mit deren Hilfe sie sich die Vril-Kraft zu nutzen machen könne. Die tatsächliche Bedeutung dieser Gruppen, die unter Umständen sogar identisch miteinander sind, wird von der Forschung als vernachlässigbar gering eingestuft und bleibt zunächst ohne weiteren Einfluss auf die damalige Esoterik- und Okkultismus-Szene. Vielmehr dienten diese Gruppen Dritten bis in die Vierziger Jahre hinein als Beweis und Rechtfertigung für die Existenz und das im Verborgen ausgeführte Wirken einer tatsächlich existierenden „Vril-Gesellschaft“.

„Vril-Gesellschaft“: These und Rezeption

Anders als zunächst zu vermuten wäre, handelt es sich bei dem begriff „Vril-Gesellschaft“ jedoch keineswegs um ein zeitgenössisches Konstrukt aus der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts. Seine Begründung erfuhr der Begriff vielmehr in den Sechziger Jahren von Louis Pauwels und Jacques Bergier , zwei französischen Autoren, die in ihrem Buch „Aufbruch ins dritte Jahrtausend“ die so bezeichnete Vril-Gesellschaft genauer beschrieben. Die Autoren stellen die These auf, dass die Führung des NS-Staats mithilfe übernatürlicher Kräfte versucht habe, ihre Macht zu bewahren und zu erweitern. In diesem Buch wird die „Vril-Gesellschaft als bedeutende Organisation des NS-Staats beschrieben, die nicht nur Kontakt zu den Rosenkreuzern pflegte, sondern auch mit der Theosophischen Gesellschaft und der Thule-Gesellschaft eng verwoben war. Entsprechende Verweise auf eine „Vril-Gesellschaft“ werden von Pauwels und Bergier nicht weiter belegt, auch ein weitgehender Einfluss einer solchen okkultistischen Vereinigung auf die Führungsspitze des NS-Staats ist nicht belegbar. Eine erneute Rezeption und Erweiterung der Mythen rund um eine mutmaßliche „Vril-Gesellschaft“ geschah in den neunziger Jahren durch Norbert Jürgen-Ratthofer und Ralf Ettl. In diesem Zusammenhang wurde vor allem das Vorhandensein einer fiktiven, so genannten NS-Flugscheibe, die von der Vril-Gesellschaft entwickelt worden sei, betont.

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