Globalisierung und Gesellschaft

Die Globalisierung hat nicht zuletzt auch viele gesellschaftliche Veränderungen mit sich gebracht – sei es auf direktem oder auf indirektem Weg. Ein tief greifender Strukturwandel hat dazu geführt, dass wir einerseits gesellschaftliche Werte und Konstanten, wie beispielsweise das hohe Ansehen von Lohnarbeit in Frage stellen müssen, andererseits aber auch neue Konzepte wie Mobilität, modernes Nomadentum oder digitale Beziehungen in unsere Lebenswelt integrieren müssen. Daneben müssen wir uns noch der Aufgabe stellen, für Begriffe wie „kulturelle Identität“ und „nationale Identität“ zeitgemäße Definitionen zu finden.

Die gesellschaftlichen Änderungen, welche die Globalisierung mit sich gebracht hat, sind so vielfältig und so vielschichtig, dass es kaum möglich ist, sie alle einzeln aufzuzählen. Die tief greifendsten und am weitesten gehenden Veränderungen, die die Globalisierung mit sich gebracht hat, haben aber insgesamt in einigen ganz genau definierten Bereichen stattgefunden. Das sind: der Bereich Arbeitswelt, der Bereich der persönlichen Beziehungen, der Bereich der Mobilität und der Bereich der Kultur und Sprache. In diesen Bereichen liegen die wesentlichsten Motoren der starken gesellschaftlichen Veränderungen und des weitgehenden Strukturwandels, den wir in allen Gesellschaften der Erde seit dem Beginn der Globalisierung erleben. Es lohnt also, diese Bereiche einmal einzeln näher zu beleuchten.

Die Arbeitswelt

Hier haben wohl, wenigstens in der westlichen Industriewelt, weithin die stärksten Veränderungen stattgefunden, die auf die Globalisierung zurückzuführen sind. Traditionelle Werte, die die Industrialisierung geschaffen hat, wie die hohe Bewertung unselbständiger Lohnarbeit und einer möglichst zu erreichenden „Vollbeschäftigung“ aller Bürger verlieren heute massiv an Bedeutung und sind nicht mehr haltbar. Erst recht nicht angesichts der vielfältigen Beschäftigungs- und Erwerbsformen, die durch eine globale Wirtschaft und globale Kommunikation möglich werden.

Unselbständige Arbeit an einem festen Ort als Inbegriff des „anständigen, geordneten“ Lebens ist heute angesichts der vielen untypischen Beschäftigungsverhältnisse, der neuen Erwerbsformen in einer globalen Informationsgesellschaft nicht mehr haltbar. Von diesem Denkmuster müssen wir uns heute definitiv verabschieden, was vielen – gerade den älteren – Menschen schwer fällt. Die Umsetzung vieler dieser neuen Erwerbsformen, die Internet und globale Wirtschaft mit sich bringen, gestaltet sich dabei vielerorts heute noch schwierig, speziell in bürokratisch sehr durchorganisierten und gesellschaftlich sehr strikt organisierten Ländern wie etwa Deutschland. Es fehlen dabei vor allem die Rahmenbedingungen.

Auch die gesetzliche Absicherung – beispielsweise im internationalen Online-Handel – weist immer noch Lücken auf. Die politischen und auch die gesellschaftlichen Voraussetzungen – dazu gehört auch die gesellschaftliche Akzeptanz – sind bei weitem noch nicht so groß, wie sie eigentlich sein sollten. In den letzten Jahren haben sich aber hier dennoch bereits vielfältige Verbesserungen ergeben. Der weitreichende interkulturelle Austausch lässt auch viele Werte in unsere traditionelle westliche Kultur einfließen, die persönliche Erfüllung, Lebenssinn und vor allem in anderen Bereichen als der Arbeitswelt sehen. Diese Einflüsse wirken gesellschaftlich deutlich nach, und verändern auch nachhaltig die Einstellung der Gesellschaft zur Erwerbsarbeit und zu beruflichen Karrieren – Entschleunigung, Downshifting und ähnliches sind Werte, die sich über die weltweiten Kommunikationsstrukturen sehr schnell verbreitet haben.

Gesellschaftliche Bewertung

Die Position – und die erreichte Stufe auf der Karriereleiter – ist heute bereits viel weniger ein persönliches Statussymbol geworden als früher. Das bereitet gelegentlich Probleme bei den gesellschaftlichen Werten in unseren Breiten: ist jemand, der mit sehr wenig Mühe und Zeitaufwand viel Geld im Internet verdient faul, genial – oder suspekt? Die gesellschaftliche Bewertung tendiert hier noch zu großen Schwankungen – und zu unversöhnlichen Positionen, die sich aber langsam aufweichen.

In jedem Fall sind solche Erwerbsformen aber nur dann möglich, wenn auch für den Einzelnen Strukturen vorhanden sind, die ihm erlauben, weltweit zu handeln. Alle diese Dinge gelten vor allem für die westlichen Industrienationen – in vielen traditionell ärmeren Kulturen außerhalb Europas standen selbständiges Unternehmertum, Handwerk, Erfindungsgabe und persönlich gestaltete Lebensentwürfe immer schon in hohem Ansehen. Für diese Kulturen und Gesellschaften ist der Strukturwandel meist sehr viel besser zu bewältigen und wird überwiegend als positiv gesehen und begrüßt.

Die persönlichen Beziehungen

Die Digitale Revolution, der Siegeszug des Internets und der mobilen Kommunikation und die plötzliche Vielzahl der Vernetzungsmöglichkeiten mit anderen Menschen unabhängig von ihrem geographischen Aufenthaltsort haben uns auch eine deutlich veränderte soziale Beziehungswelt beschert. Insgesamt gesehen sind Beziehungen heute im Wesentlichen digitalisiert, kommunikationsorientiert – und verflacht.

Zudem reicht das Netz persönlicher Beziehungen bei den meisten Menschen heute weit über den geographischen Lebensraum hinaus, und ist auch viel stärker interkulturell geprägt, als das noch vor einem Jahrzehnt der Fall war. Das bringt positive Aspekte mit ins Spiel – aber natürlich auch einige Schattenseiten. Die wichtigste davon ist die häufig auftretende soziale Vereinsamung, die mit den zunehmend flacher und oberflächlicher werdenden Beziehungsstrukturen einhergeht. Das ist nicht die unausweichliche Regel für alle, und kann nicht in direkter Verbindung mit den heute etablierten Kommunikationsstrukturen gebracht werden.

Nichtsdestotrotz ist es ein häufiges und verbreitetes Problem, das oft im Einzelfall sehr belastend wirken kann. Menschen, die keinen Zugang zu den modernen Kommunikationsstrukturen haben, sterben oft überhaupt einen sozialen Tod, ihnen ist der Zugang zu einer vor allem überregional agierenden Gesellschaft praktisch verwehrt. Unter ihnen sind auch viele Ältere, die mit den neuen Technologien einfach nicht mehr zurechtkommen, und darum auch nicht mehr von den positiven Veränderungen profitieren können.

Mobilität

Ortsunabhängiges Arbeiten, Internet-Arbeitsplätze, digitales Nomadentum – und wesentlich verbesserte und vereinfachte Transportmöglichkeiten haben ebenfalls große gesellschaftliche Veränderungen mit sich gebracht. Die Wahl des Lebensmittelpunktes, ist heute völlig frei. Allerdings kommt nicht jeder mit dieser Freiheit gut zurecht. Andererseits gibt es aber auch viele positive und durchaus interessante Lebensentwürfe, die diese Mobilität mit einschließen – digitales Nomadentum ist lediglich einer davon. Gleichzeitig stellt die – oft geforderte – Mobilität viele Menschen auch vor finanzielle Probleme wegen der hohen Kosten, und vor ein Gefühl der relativen Wurzellosigkeit, das auf Dauer für viele Menschen extrem belastend wirkt. Das gilt auch für viele Gesellschaften besonders in den ärmeren Ländern der Welt, die zu Migration und zur Wahl von Lebensmittelpunkten außerhalb der eigenen Heimat oft gezwungen sind.

Sprache und Kultur

Die Globalisierung bringt auch einen erhöhten interkulturellen Austausch mit sich, was grundsätzlich als positiv angesehen werden kann. Inwieweit das zu einem Verlust der eigenen kulturellen Identität und zu einer weltweiten Einheitskultur führt, ist immer noch eine kontrovers diskutierte Frage. Der Trend zur Angleichung der einzelnen Kulturen ist sicherlich da, und mit der weltweit exportierten amerikanischen Leitkultur wird mit Sicherheit ein massiver kultureller Einfluss spürbar – inwieweit das aber nun positiv oder negativ zu bewerten ist, mag dahingestellt bleiben. Dass zur Globalisierung auch eine globale Sprache gehört, versteht sich von selbst. Diese Rolle übernimmt heute Englisch – es ist die internationale Leitsprache, die heute so gut wie jeder wenigstens rudimentär beherrscht, die meisten unter-20-Jährigen sogar relativ fließend. Auch der Einfluss dieser Leitsprache auf die einzelnen Nationalsprachen ist nachweisbar. Er ist allerdings kein Phänomen der Globalisierung, sondern eines, das schon immer existent war. Die meisten Nationalsprachen sind ebenfalls auf genau diesem Weg entstanden.

Die kulturellen Veränderungen, die die Globalisierung mit sich bringt, sind insofern als nur wenig problematisch anzusehen, als dass sie sich – vorhersagbar – nach einer existenten Leitkultur richten, und ganz einfach auch fremde Einflüsse aus anderen Kulturen in höherem Maße integrieren. Das hat es während der gesamten Menschheitsgeschichte schon immer gegeben, und es stellt einen völlig natürlichen Prozess laufender kultureller Veränderung dar. Die Arbeitswelt hingegen, und ihre Veränderungen, sowie die Welt der persönlichen Beziehungsnetze erfordern unser Nachdenken. Gegebenenfalls auch politische Maßnahmen, um die Nachteile aufzufangen und notwendige Potenziale zu schaffen, damit die sich verwirklichenden Veränderungen auch tatsächlich Platz greifen können.

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