Mogadischu (Landshut-Entführung)

Die Entführung des Flugzeugs Landshut steht gemeinsam mit der Entführung von Hanns Martin Schleyer im Gesamtkontext des so bezeichneten Deutschen Herbst, der durch Anschläge der linksextremistischen Terrorvereinigung RAF (Rote Armee Fraktion) charakterisiert wird und eine der schwersten Krisen in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik Deutschland darstellt. Dabei wurde die Boeing 737-200 der Lufthansa am 13. Oktober 1977 von einem palästinensischen Terrorkommando, das sich aus vier Mitgliedern der PFLP zusammen setzte und unter der Bezeichnung Martyr Halimeh auftrat, entführt.

Eigentlich sollte das Flugzeug von Palma de Mallorca nach Frankfurt am Main fliegen. An Bord befanden sich 82 Passagiere sowie fünf Crewmitglieder; darunter waren insgesamt 23 Deutsche. Die Terroristen schmuggelten rund 500 Gramm Plastiksprengstoff, vier Handgranaten und zwei Pistolen – versteckt in einem Radio und Kosmetikkoffern – an Bord der Landshut. Der 23jährige Zohair Youssif Akache entpuppte sich als Anführer der palästinensischen Terrorgruppe. Neben ihm zählten die beiden Libanesen Hind Alameh und Nabil Harbi sowie die arabische Israelin Souhaila Andrawes zu der vierköpfigen Gruppe. Mit Wadi Haddad existierte ein weiteres in Bagdad wartendes Mitglied, dem die Planung und Leitung der gesamten Operation zugeschrieben wurde. Er hatte demnach auch den Zeitpunkt festgelegt, wann die Terroristen die Kontrolle in der Maschine übernehmen sollten. So warteten die Terroristen bis die Lufthansa-Maschine französischen Luftraum durchquerte, bevor sie zuschlugen. Auf das Startsignal von Captain Matyr Mahmud, wie sich der Anführer während der Entführung nannte, drohten die beiden Frauen im Heck der Maschine mit Handgranaten; die beiden männlichen Terroristen machten sich dagegen auf den Weg zum Cockpit. Die Terroristen wollen die Maschine nach Larnaka umleiten. Da der Treibstoff für dieses Vorhaben aber nicht ausreicht, musste die Maschine in Rom einen Zwischenstopp einlegen, um aufgetankt zu werden.

Landshut-Entführer fordern Freilassung von RAF-Gesinnungsgenossen

Als die Landshut schließlich um 15.45 Uhr auf dem Flughafen Fiumicino in Rom landete, stellte die Terrorgruppe erstmalig präzise Forderungen. Demnach sollten die Genossen (RAF-Mitglieder), die in deutschen Gefängnissen inhaftiert waren, umgehend auf freien Fuß gesetzt werden; die Forderungen waren dabei identisch mit denen des RAF-Kommandos Siegfrid Hausner, das am 05. September 1977 den deutschen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer entführt hatte. Neben der Freilassung von insgesamt elf RAF-Terroristen forderten die Landshut-Entführer zudem die Entlassung zweier Gesinnungsgenossen aus einer türkischen Haftanstalt und 15 Millionen US-Dollar.

Obwohl die zwischenzeitlich informierte deutsche Regierung vehement Druck auf die italienischen Behörden ausübte, um den geplanten Weiterflug nach Lakarna zu verhindern, ließen die Italiener die Maschine schließlich doch Richtung Larnaka ziehen. Dort nahm sofort ein PLO-Vertreter Kontakt zu den Flugzeug-Entführern um Zohair Youssif Akache auf und versuchte sie von einer Aufgabe zu überzeugen. Dies misslang aber, so dass das Flugzeug voll betankt Richtung Libanon startete. Allerdings waren inzwischen die Flughäfen von Kuwait-Stadt, Bagdad, Damaskus und Beirut von den entsprechenden Behörden geschlossen worden, so dass sich die entführte Maschine über Manama auf den Weg nach Dubai machte. Aber auch hier gab es erst einmal Probleme. Anfangs wurde nämlich eine Landung der Landshut verhindert, da die Landebahn zunächst blockiert worden war. Schließlich gaben die dortigen Behörden aber nach und ließen die Maschine am frühen Morgen des 14. Oktobers dann doch landen.

Terroristen erschießen den Flugkapitän Jürgen Schumann

Während des Stopps gelang es dem Piloten Jürgen Schumann am 16. Oktober den Flughafenbehörden detaillierte Informationen über die Gruppenstärke der Entführer mitzuteilen. Da sich jedoch der damalige Verteidigungsminister mit diesen Informationen bzw. Erkenntnissen in einem TV-Interview brüstete, erfuhr auch die vierköpfige Terrorgruppe im Flugzeug davon. Schumann musste sich daraufhin im Gang niederknien und wurde mit dem Tod durch Erschießen bedroht, sollte es einen weiteren Vorfall dieser Art geben. Insgesamt drei Tage wartete die Maschine in Dubai auf den Weiterflug. Dabei stand sie fortwährend in der prallen Sonne. Da zudem die Klimaanlage ausgefallen war, wurde die Situation für die Passagiere immer unerträglicher.

Um das Leiden der Passagiere und die Entführung zu beenden, bereiteten sich schließlich GSG-9-Beamte auf eine umfassende Befreiungsaktion vor. Durch die Drohung der Entführer bzw. Geiselnehmer, dass Geiseln erschossen werden, wurde die Landshut letztendlich aufgetankt und konnte unbehelligt Richtung Oman starten. Aber auch in Oman erhielt das Flugzeug keine Landeerlaubnis und musste notgedrungen Kurs auf Aden im damaligen Südjemen nehmen. Die dortige Regierung reagierte aber prompt und ließ sämtliche Landebahnen sperren bzw. blockieren. Da die Treibstofftanks schon wieder fast leer waren, wurde der Pilot der Landshut gezwungen auf einem Sandstreifen neben der eigentlichen Startbahn zu landen. Da Schumann nach dieser Notlandung Schäden am Fahrwerk vermutete, gestatteten ihm die Entführer das Flugzeug zu verlassen, damit er das Fahrwerk eingehend auf eventuelle Schäden untersuchen konnte. Schumann kehrte aber erst nach rund einer Stunde in die Landshut zurück. Später wurde bekannt, dass sich Schumann in dieser Zeit mit dem Kommandeur einer jemetischen Spezialeinheit, Scheich Ahmed Mansur, getroffen hatte.

Wie Mansur später aussagte, habe Schumann darauf gedrängt, dass der Weiterflug der Maschine unter allen Umständen zu verhindern sei, da der Pilot um das Leben der sich an Bord befindlichen Passagiere fürchtete. Obwohl die Entführer zu jenem Zeitpunkt nichts von diesem Gespräch wussten, wurde Schumann im Mittelgang der Maschine von Mahmud mit einem gezielten Kopfschuss quasi hingerichtet. Mit dieser Aktion wollte der Anführer der Flugzeug-Entführer den gestellten Forderungen mehr Nachdruck verleihen.

Somalischer Präsident Siad Barre stimmt einer gemeinsamen Befreiungsaktion zu

Mit dem Kopiloten Jürgen Vietor am Steuer nahm die wieder aufgetankte Lufthansa-Maschine Landshut Kurs auf die somalische Hauptstadt Mogadischu. Gegen 4.30 Uhr erreichte das Flugzeug sein Ziel. Jetzt stellten die Terroristen ein Ultimatum und forderten, dass bis 15 Uhr (MEZ) die inhaftierten RAF-Mitglieder aus der Haft zu entlassen seien. Anschließend sah ihr Plan vor die Maschine zu sprengen, da sie in keinem weiteren Land eine Landeerlaubnis erhalten hätten. An Bord brach fast eine Panik aus, als die Terroristen die Passagiere mit Alkohol übergossen und die mitgeführten Sprengkörper scharf gestellt hatten. Allerdings konnte das Ultimatum durch geschicktes Taktieren noch einmal um eine halbe Stunde verlängert werden.

In dieser Zeit erhielt die GSG-9 von der somalischen Regierung endlich die Erlaubnis für eine Befreiungsaktion auf somalischem Boden. Mit einer Finte schafften es die Verhandlungsführer noch einmal, das Ultimatum bis zum 18. Oktober, 1.30 Uhr zu verlängern. Die Entführer ließen sich dabei von der Nachricht täuschen, dass die Überführung der RAF-Mitglieder nach Mogadischu mehrere Stunden in Anspruch nehmen würde. Um diese Befreiungsaktion zu ermöglichen, wurden dem somalischen Präsidenten Siad Barre mehrere Versprechen seitens der deutschen Verhandlungsführer gemacht. So wurde dem Ansicht palästinenserfreundlichen Staat einerseits die wahre Identität der Entführer verschwiegen und zudem eine Waffenlieferung in Aussicht gestellt, die Somalia dringend aufgrund des Krieges mit Äthiopien benötigte. Diese vermeintlichen Zusagen veranlassten Barre schließlich einer gemeinsamen Befreiungsaktion (Joint-Operation) zuzustimmen.

Unter Führung von Ulrich Wegener stürmte schließlich ein GSG-9-Kommando am 18. Oktober um 0.05 Uhr unter dem Codenamen „Operation Feuerzauber“ die Landshut. Sieben Minuten dauerte die gesamte Aktion. Drei Geiselnehmer wurden dabei getötet; Souhaila Andrawes überlebte den Angriff dabei schwer verletzt. Auch ein GSG-9-Beamter und die deutsche Stewardess Gabriele Dillmann wurden bei der Befreiungsaktion leicht verletzt. Nach dieser Befreiungsaktion errang die GSG-9 nachhaltig internationale Anerkennung. Als den inhaftierten RAF-Mitgliedern die Nachricht von der geglückten Geiselbefreiung in Mogadischu zugespielt wurde, war dies der Startschuss für die so genannte Todesnacht von Stammheim, in der die RAF-Angehörigen Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe und Andreas Baader Selbstmord begingen. Als Reaktion auf diese Tat richtete die RAF-Terrorgruppe Siegfrid Hausner den von ihnen entführten Arbeitgeberpräsidenten Hans Martin Schleyer gezielt hin.

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