Hanns Martin Schleyer

Als mit Hanns Martin Schleyer der damalige Arbeitgeberpräsident der Bundesrepublik Deutschland am 5. September 1977 von der linksextremistischen Terrorgruppe RAF (Rote Armee Fraktion) entführt und später ermordet wurde, hatte der so genannte Deutsche Herbst seinen Höhepunkt erreicht. Im direkten Zusammenhang mit der Schleyer-Entführung stand das Kapern des Flugzeugs Landshut durch die palästinensische Terrorgruppe PFLP. Durch die beiden nahezu parallel durchgeführten Aktionen sollte die Freilassung inhaftierter RAF-Mitglieder erpresst werden. In das Visier der RAF war Schleyer dabei nicht zuletzt aufgrund seiner nationalsozialistischen Vergangenheit gerückt. Besonders seine Aussage bezüglich seines Offiziersrangs in der SS, dass er stolz auf die Vergangenheit sei, ließen ihn zum „Hassobjekt“ der linken Szene werden. Seine Vergangenheit wurde ihm sozusagen zum Verhängnis.

Der als Sohn des Landgerichtsdirektors Ernst Schleyer geborene Hanns Martin Schleyer begann dabei nach dem bestandenen Abitur (1933; Rastatt) ein Jura-Studium an der Universität Heidelberg. Bereits als Schüler war er als Mitglied in die Schülerverbindung „Teutonia 1842 zu Rastatt“ aktiv gewesen; 1934 trat er dann dem Corps Suevia bei. Aufgrund seiner damals ausgeprägten nationalen Gesinnung trat er zudem bereits 1932 der Hitler-Jugend bei und wurde des Weiteren am 01. Juli 1933 in die SS (Schutzstaffel) aufgenommen. Nachdem Schleyer dem Corps Suevia eine mangelnde nationalsozialistische Gesinnung vorwarf und erbost austrat, wurde er daraufhin vom Corpsburschen-Convent sogar exkludiert, was einem Ausschluss aus dem Corps mit Schimpf und Schande gleichzusetzen war. Zu seiner neuen ideologischen Heimat erwuchs fortan der Nationalsozialistische Studentenbund (NSStB). Nach seinem Eintritt in die NSPAD am 01. Mai 1937 wurde er zudem erst zum Leiter des Heidelberger Studentenwerks, später dann zum Leiter des Studentenwerks an der Hochschule respektive Universität Innsbruck ernannt.

Vom Leiter des Studentenwerks über Daimler-Sachbearbeiter bis zum Arbeitgeberpräsident

Aktiv am Krieg nahm Hanns Martin Schleyer ab 1940 im Rahmen des Westfeldzuges teil. Aufgrund einer dabei erlittenen Verletzung wurde er aber bereits wieder im Mai 1941 als dienstuntauglich entlassen. Stattdessen übernahm Schleyer die Leitung des Prager Studentenwerkes der Deutschen Karls-Universität; ab 1943 zeichnete er sich auch als engagierter Mitarbeiter des Zentralverbands der Industrie für Böhmen und Mähren aus. Nach dem Krieg wurde Hanns Martin Schleyer innerhalb des Entnazifizierungsverfahrens nur als Mitläufer eingestuft, da er einen niedrigeren Dienstgrad angegeben hatte. Er stellte sich als SS-Oberscharführer dar, war in Wirklichkeit aber SS-Untersturmführer. Danach startete er in Westdeutschland eine furiose Karriere: So wurde er bereits 1949 Referent der Industrie- und Handelskammer Baden-Baden, bevor er 1951 zu Daimler-Benz wechselte. Dort stieg Schleyer innerhalb von zwölf Jahren vom Sachbearbeiter zum ordentlichen Vorstandsmitglied für die Bereiche Personal- und Sozialwesen auf.

Zeitgleich wurde er zum stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden der Pegulan-Werke AG berufen. 1970 wurde Schleyer, inzwischen CDU-Mitglied, zudem zum Ehrensenator der traditionsreichen Universität Innsbruck ernannt. Im Dezember 1973 stieg Schleyer zum Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) auf, bevor er zusätzlich das Präsidentschaftsamt beim Deutschen Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) übernahm. Hanns Martin Schleyer avancierte als Arbeitgeberpräsident gerade durch seine sture und unerbittliche Haltung während der Arbeitskämpfe in den 1960er Jahren zum Feindbild der Gewerkschaften; seine nationalsozialistische Vergangenheit war zudem stets Gesprächsthema bei den Linken und brachten ihm ständige Anfeindungen ein. Unvergessen ist dabei seine verbale Auseinandersetzung bzw. sein harsches Wortgefecht mit dem damaligen DGB-Vorsitzenden Heinz Oskar Vetter, das auch in der internationalen Presse Beachtung fand.

RAF-Kommando Siegfrid Hausner entführt Hanns Martin Schleyer in Köln

Ab Juni 1977 galt für Hanns Martin Schleyer die Sicherheitsstufe 1, da er in Deutschland zu den so bezeichneten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gehörte. Seine Wohnungen in Köln, Meersburg und Stuttgart standen unter ständiger Polizeiüberwachung und Schleyer selbst wurde auf Schritt und Tritt durch Polizeibeamte gesichert. Dass er ins Visier der RAF und anderer linker Gruppierungen aufgrund seiner ideologischen Ansichten und nicht zuletzt wegen seiner nationalsozialistischen Vergangenheit geraten war, wusste aber auch Hanns Martin Schleyer ganz genau. So vertraute Schleyer seinem Freund Kurt Biedenkopf an, dass er der nächste auf der Liste der RAF sein würde. Trotz Polizeischutz und weitreichender Vorkehrungen kam es dann am 5. September 1977 eben wirklich zu der Entführung Schleyers, die letztendlich auch zu seinem Tod führte. Für die Entführung war das so genannte RAF-Kommando Siegfrid Hausner verantwortlich.

Als Überfallort wählten die direkt an der Tat beteiligten Stefan Wisniewski, Willi-Peter Stoll, Sieglinde Hofmann und Peter-Jürgen Boock die Vincenz-Statz-Straße in Köln, die Schleyers Mercedes 450 SEL mit seinem Fahrer Heinz Marcisz am Steuer auf dem Weg von der Arbeitgeberzentrale zu seiner Dienstwohnung in der Raschdorffstraße 10 durchquerte. In einem Mercedes 280 E folgten mit Roland Pieler, Helmut Ulmer und Reinhold Brändle drei ausgebildete sowie bewaffnete Personenschützer dem Wagen Schleyers. Die Entführung war dabei generalstabsmäßig geplant. Während Hofmann und Bock die Personenschützer bzw. Polizisten ausschalten sollten, war Stoll auf Marcisz angesetzt; Wisniewski war für die Überwältigung Schleyers verantwortlich. Eine extra eingerichtete Telefonkette informierte die vier im Hinterhalt lauernden Schützen von der Ankunft der beiden nicht gepanzerten Wagen.

RAF will mit Schleyer-Entführung Sinnesgenossen aus dem Gefängnis freipressen

Als die beiden Autos etwa gegen 17.28 Uhr in die Vincenz-Statz-Straße einbogen, versperrte ihnen plötzlich ein gelber Mercedes 300 D, den Wisniewski als Sperrfahrzeug nutzte, den Weg. Während Schleyers Fahrer den Mercedes noch rechtzeitig abbremsen konnte, prallte der Wagen mit den Personenschützern nahezu ungebremst auf diesen auf und schob ihn in das Sperrfahrzeug. Prompt eröffneten die vier Terroristen das Feuer; später wurde bekannt, dass die Schützen dabei mindestens 119 Schüsse abgaben. Als erster wurde Marcisz mehrfach getroffen und erlag seinen schweren Verletzungen. Während Boock und Hofmann aus Entfernung auf den Wagen der Personenschützer feuerten, durchquerte Stoll überraschend das Schussfeld, hechtete auf die Motorhaube des Begleitfahrzeuges und feuerte unaufhörlich durch die Frontscheibe in das Wageninnere. Der am Steuer sitzende Brändle wurde dabei von über 60 Kugeln getroffen. Während Pieler es schaffte den Wagen zu verlassen und zurückzuschießen, schoss Ulmer mit seiner Maschinenpistole aus der geöffneten Beifahrertür. Beide trafen aber nicht und wurden stattdessen selbst jeweils mindestens dreimal getroffen und starben noch am Tatort.

Später wurde am Ort der Entführung eine Waffe gefunden, die weder Schleyers Begleitern noch den vier Terroristen zugeordnet werden konnte. Die Ermittler gingen davon aus, dass noch eine fünfte Person am Überfall beteiligt gewesen sein musste. Bis heute konnte diese Person aber nicht identifiziert werden. Nach der schnell durchgeführten Aktion wurde Schleyer in Geiselhaft genommen und in einem weißen VW-Bus zu einer konspirativen RAF-Wohnung in Erftstadt-Liblar gebracht. Dort wurde er größtenteils in einem schallgedämpften Wandschrank untergebracht. Die Terroristen forderten indes die Freilassung von RAF-Mitgliedern der so bezeichneten ersten Generation wie Andreas Baader, Jan-Carl Raspe oder Gudrun Ensslin.

Erschiessung Schleyers

Allerdings ging die damalige Bundesregierung unter Helmut Schmidt nicht auf die Forderungen der RAF-Terroristen ein. Auch als parallel das Passagierflugzeug Landshut von der palästinensischen Gruppierung PFLP entführt wurde, blieb sie bei ihrer starren Haltung. Stattdessen erhielt die Spezialeinheit GSG-9 den Befehl die Maschine zu stürmen, was dann auch am 18. Oktober 1977 auf dem somalischen Flughafen in Mogadischu gelang. Daraufhin begingen Raspe, Ensslin und Baader in ihren Zellen in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart Selbstmorde. Als die Schleyer-Entführer von den Selbstmorden hörten, erschossen sie Hanns Martin Schleyer und töteten ihn mit drei Schüssen in den Kopf. Seine Leiche wurde nach 43 Tagen Geiselhaft in einem Audi 100 gefunden, der in der Rue Charles Peguy (Mülhausen) abgestellt war. Inzwischen gilt neben den vier direkt am Überfall beteiligten Terroristen die Beteiligung von Brigitte Mohnhaupt, Rolf Clemens Wagner, Christian Klar, Angelika Speitel, Rolf Heißler, Adelheid Schulz sowie Knut Folkerts an Schleyers Enführung als nachgewiesen.

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