Challenger-Unglück

Kennedy Space Center, Florida, USA: Es ist der 28. Januar 1986, 16.38 Uhr Weltzeit. Das Space Shuttle Challenger (engl. = „Herausforderer“) hebt von der Startrampe zur 25. Mission eines Space Shuttle ab. Der Start selbst verläuft (scheinbar) ohne Probleme. Doch dann kommt es exakt 73 Sekunden nach dem Start in einer Höhe von 15 Kilometern zur Katastrophe. Die Raumfähre explodiert in einem riesigen Feuerball. Alle sieben Besatzungsmitglieder der Challenger kommen ums Leben. Es ist die bis dahin größte Katastrophe in der bemannten Raumfahrt der USA. Amerika steht unter Schock. Das Unglück wirft die amerikanische Raumfahrt in ihrer Entwicklung um Jahre zurück. Die durchgeführten Untersuchungen ergeben, dass ein simpler Defekt an einem Dichtungsring (O-Ring) eines der Feststoffraketen die Ursache des Unglücks war. Damit treten schon früher von manchen Experten geäußerte Bedenken hinsichtlich des allgemeinen Sicherheitskonzeptes des Space Shuttle wieder in den Vordergrund.

Das Sicherheitskonzept und die mögliche Vermeidung des Challenger-Unglücks

Eine wiederverwendbare Raumfähre war schon immer der Wunsch der Raumfahrtingenieure. Im Gegensatz zu den „Wegwerf-Raketen“ sollte das Raumschiff der Zukunft nach Beendigung der Mission wieder auf der Erde landen und für weitere Missionen zur Verfügung stehen. Doch es war bald absehbar, dass unter physikalischen und technologischen Aspekten diese neue Raumfähre nicht ohne zusätzliche Starhilfen auf eine Umlaufbahn gebracht werden kann. Außer einem separaten Treibstofftank waren die seitlich von ihm angebrachten beiden Feststoff-Booster typisch für diese Konfiguration. Diese waren für den nötigen Schub in der ersten Phase des Starts zuständig.

Das Risiko bestand dabei im Einsatz von Feststoffraketen schlechthin. Denn im Gegensatz zu regelbaren Flüssigtriebwerken lassen sich diese, einmal gezündet, nicht wieder abschalten. Ein Abbruch der Mission war immer erst nach dem Ausbrennen der Booster möglich – zu spät im Falle der Challenger, selbst wenn das Problem rechtzeitig erkannt worden wäre.

Weitere Kritikpunkte

Der zweite Punkt in der Kritik war das Fehlen eines Rettungssystems nach dem Vorbild der amerikanischen APOLLO- und auch der russischen SOJUS-Raumschiffe. Im Gefahrenfall werden bei diesen im Prinzip identischen Systemen an der Mannschaftskapsel angebrachte Raketensätze gezündet. Diese bringen die Crew samt Kapsel in Sekundenschnelle weg von der fehlerhaft arbeitenden Trägerrakete. Aus der Gefahrenzone gebracht, ist es der Besatzung dann möglich, an Fallschirmen zur Erdoberfläche zurückzukehren. Im Konzept der Space Shuttle war eine solche Option aus technologischen und Kostengründen nicht vorgesehen.

Chronologie der Katastrophe

Die Mission der Challenger bestand darin, einen Kommunikationssatelliten auszusetzen und auch die Beobachtung des berühmten Halley’schen Kometen stand auf dem Programm. Die Besatzungsmitglieder, fünf Männer und zwei Frauen, waren Francis Scobee (Kommandant), Michael Smith (Pilot), Judith Resnik, Ellison Onizuka, Ronald McNair (Missionsspezialisten) sowie den beiden Nutzlastspezialisten Gregory Jarvis und Christa McAuliffe. Christa McAuliffe war Grundschullehrerin und als besonderes Highlight war eine Live-Unterrichtsstunde aus dem All geplant.

Als die Challenger in den Mittagsstunden des 28. Januar 1986 auf der Startrampe LC-39B des Kennedy Space Center stand, schien nichts auf die kommende Katastrophe hinzudeuten. Vom Kontrollzentrum unbemerkt, waren es die Spezialkameras, die auf den Aufnahmen bereits vor dem Start das kleine, fast unscheinbare graue Rauchwölkchen an einem der Feststoffraketen zeigten. 58 Sekunden nach dem Start registrieren Kameras Rauch an einem der Feststoffbooster, wenig später ist sichtbar, dass brennendes Gas aus einer undichten Stelle zwischen den Segmenten der Feststoffrakete austritt. Nur Sekunden später treffen Stichflammen den mit Wasserstoff gefüllten Haupttank und schweißen dessen Hülle in Bruchteilen einer Sekunde buchstäblich auf. Der Wasserstofftank explodiert, riesige Rauchschwaden am blauen Himmel hinterlassend. Der Countdown-Zähler zeigt T + 73 Sekunden. Die Challenger existiert nicht mehr.

Eine Minute später sind Trümmerstücke zu sehen, die sich von der Rauchwolke lösen und in den Ozean stürzen. Ballistische Berechnungen ergaben, dass die Raumkapsel, in der sich die Astronauten befanden, die Explosion möglicherweise überstanden hatte. Dass würde bedeuten, dass die Besatzung erst zu Tode kam, als die Fähre mit über 330 km/h auf die Wasseroberfläche aufschlug.

Ursachen und deren Hintergründe

Schon die ersten Auswertungen der Filmaufnahmen gaben einen Hinweis auf die Ursache des Challenger-Unglücks. Die Position des ausströmenden Gases wies auf einen defekten Dichtungsring hin. Die Feststoffbooster bestehen aus vier Segmenten, wobei zwei davon von deren Herstellerfirma Morton Thiokol bereits vormontiert wurden. Die Komplettierung der verbliebenen zwei Segmente erfolgte dann in den Montagehallen des Kennedy Space Center.

Die Nacht vor dem Start des Shuttles war für die dortigen Witterungsverhältnisse ungewöhnlich kalt. Dadurch verlor der Dichtungsring, ein sog. O-Ring, seine ursprüngliche Elastizität. In diesem Zustand war er dem enormen Druck und den Temperaturen, die sich beim Start entwickeln, nicht mehr gewachsen und das Verhängnis nahm seinen Lauf. Am undicht gewordenen O-Ring trat das heiße Gas unglücklicherweise genau an einer dem Haupttreibstofftank zugewandten Stelle aus. Die Verbindungselemente zwischen Tank und Booster lösten sich durch die enorme Hitzeeinwirkung. Der nun an dieser Stelle nicht mehr arretierte Booster riss ein Leck in den Haupttank, der in diesem Moment sofort explodierte.

Wäre das Unglück vermeidbar gewesen?

Eine Verkettung von unglücklichen Umständen kann eher verneint werden, denn eine genaue Analyse der Begleitumstände ergab, dass das Challenger-Unglück vermeidbar gewesen wäre. Die aus vorherigen Missionen geborgenen Feststoffraketen zeigten bereits Hitzeschäden an den Dichtungsringen, obwohl die Starttemperatur der letzten Mission bei + 11 Grad lag. Doch diesmal war es eine Temperatur knapp unter null Grad – der die Dichtungsringe ausgesetzt waren.

Diese Umstände waren den Ingenieuren bei Morton Thiokol bekannt und sie schlugen Alarm und übermittelten der NASA ihre Bedenken und haben von einem Start unter diesen Bedingungen abgeraten. Dort zeigte man sich wenig begeistert. Es bedurfte einer mehrstündigen Telefonkonferenz, bis das Management von Thiokol der NASA grünes Licht für den Start gab – nachdem es die Mehrzahl der eigenen Ingenieure in dieser heiklen Frage überstimmt hat. Zu wichtig war der gut zahlende Kunde namens NASA.

In einer letzten Verzweiflungstat versuchte der Ingenieur Roger Boisjoly den Start zu verhindern. Er befürchtete eine Explosion bereits auf der Startrampe – mehr noch – er sagte sie voraus. Mit Bangen verfolgte er den Start der Challenger. Dieses Szenario trat nicht ein, doch nach nur 73 Sekunden wurden seine schlimmsten Befürchtungen Realität.

Konsequenzen und das Ende einer Ära

Die eingesetzte Untersuchungskommission zeigte sich angesichts der ihr präsentierten Tatsachen und Aussagen der Beteiligten erschüttert. Es waren nicht die normalen Unwägbarkeiten, die Raumfahrtunternehmen mit sich bringen, auch kein technisches Versagen – es waren Ignoranz, Kosten-, Zeit- und Erfolgsdruck, der zur Katastrophe führte. Die geplanten weiteren Missionen der Space Shuttle-Flotte wurden bis 1988 ausgesetzt. In dieser Zeit wurden Verbesserungen an vielen Systemen, vor allem an den Feststoffraketen vorgenommen.

Dass viele dieser Änderungen nur kosmetischer Natur waren, zeigte das Unglück der Columbia, die beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre im Februar 2003 auseinandergebrochen ist. Das Schicksal der Flotte war damit endgültig besiegelt. Die in die Jahre gekommenen Raumfähren wurden nach und nach ausgemustert. Mit dem Aufsetzen der Atlantis im Jahr 2011 ging die Ära der Space Shuttle endgültig zu Ende.

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