Fukushima

Das Tohoku-Erdbeben am 11.März 2011 um 14:46 Uhr Ortszeit ereignete sich vor der Sauriku-Küste Japans. Das Epizentrum lag 370 km in nordöstlicher Richtung von Tokio entfernt. Das Beben hatte eine Stärke von 9 auf der Momenten-Magnituden-Skala und gilt als das stärkste Erdbeben Japans, seit Beginn der Aufzeichnungen. In der Folge kam es zu zwei weiteren Katastrophen, einem über 10 Meter hohen Tsunami, der neben anderen das Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi am stärksten beschädigte. Das Hauptbeben dauerte etwa fünf Minuten auf Grund einer Überschiebung am Japangraben, wo sich die Pazifische Platte unter Ausläufer der Nordamerikanischen Platte schiebt. Neun Erdbeben dieser Größenordnung wurden seit 1973 verzeichnet.

Ein Notfallprogramm ohne Auslöser

Japan ist als bebengefährdetes Land mit einem hochtechnisierten Frühwarnsystem ausgestattet. Die Japan Meterorological Agency warnte wenige Minuten nach dem Erdbeben vor einem Tsunami, der mit bis zu sechs Meter hohen Wellen die japanische Küste erreichen könne. Die Insel Honshu wurde tatsächlich an der gesamten Nordküste von dieser Welle der Vernichtung getroffen, über das Kraftwerk Fukushima rollte die Wasserflut mit einer Höhe von 13 bis 15 Metern hinweg. Die mobilisierten 400 Arbeiter der Betreiberfirma Tokyo Electric Power Company (TEPCO) waren nicht nur zahlenmäßig für einen derartigen Notfall unterbesetzt, sondern auch unvorbereitet ohne rechtzeitige Warnung, weil Fukushima nicht an das Tsunami-Warnsystem angeschlossen war.

Zusätzlich zu den Berichten aus diesem Kernkraftwerk waren auch andere Nuklearanlagen in Mitleidenschaft gezogen, so dass die Japanische Regierung noch am selben Tag um 19:03 Uhr (Ortszeit) den Nuklearen Notstand ausrief. Abschaltungen in Fukushima-Daiichi erfolgten an drei laufenden Blöcken und in Fukushima-Daini am gesamten System aller vier Blöcke. Weil die Notstromgeneratoren, die für die Nachkühlung heruntergefahrener Reaktoren sorgen, auf Grund der einströmenden Wassermassen ausfielen, stiegen in Fukushima-Daiichi in den Reaktorblöcken 1,2 und 3 die Temperaturen und es kam zu Explosionen, durch die die Außenwände der Reaktorblöcke zerstört wurden.

Katastrophenschutz in kleinen Schritten

Die Japanische Atomaufsichtsbehörde stufte das Ereignis als „Unfall“ ein und erst am 18.März als „Unfall mit weitreichenden Konsequenzen“. Es brauchte weitere zwei Wochen bis zum 12.April 2011, um die Japanische Regierung zur Einstufung des Unfalls als „Katastrophaler Unfall“, wie 1986 Tschernobyl, in der höchsten Kategorie zu bewegen. In Fukushima-Daiichi versagte die Notstromversorgung ihren Dienst. Das Kühlwasser verdampfte in den Reaktorblöcken, die Brennstäbe liefen Gefahr zu schmelzen und so wurde Meerwasser, das mit Borsäure versetzt war, in die Blöcke gesprüht. Die Blöcke 4-6 waren nicht in Betrieb, aber die Brennstäbe lagen in den dortigen Abklingbecken. Auch hier galt es, die Temperatur niedrig zu halten.

Kleinere Explosionen in Block 1 und 3 hoben die gemessenen Werte der Strahlendosis nur kurzfristig an, ebenso wie die Explosion von Block 2. Am 15.März explodierte Block 4, was die Strahlung deutlich erhöhte, allerdings wurde auf Grund der ablandigen Winde die radioaktive Wolke auf das Meer hinaus getrieben. Schiffe der US-Navy änderten ihre Routen, um kein Risiko einzugehen.

Mit der Erklärung zum Nuklearen Notfallzustand am 11.März durch die Japanische Regierung wurden die Bewohner um Fukushima-Daiichi in einem Radius von zwei Kilometern evakuiert. Schrittweise erweiterte sich die Sperrzone auf drei, auf zehn und schließlich auf zwanzig Kilometer, wovon 80.000 Einwohner betroffen waren. Im Umkreis von 30 Kilometern sollten die Menschen ihre Häuser nicht verlassen. Im Kernkraftwerk Fukushima-Daini wurden auf Grund von Störungen in drei Reaktorblöcken Menschen in einem Radius von zehn Kilometern zur Evakuierung aufgefordert, der aber im Evakuierungsradius von Fukushima-Daiichi lag. TEPCO teilte am 15.März die einwandfreie Funktion aller vier Reaktorblöcke mit.

Wirtschaftliche Nachwehen

Durch die Schäden an den Kernkraftwerken Fukushima-Daiichi und Fukushima-Daini war der Osten und Nordosten Japans von Engpässen bei der Energieversorgung betroffen. Großunternehmen wurden zu stromsparenden Maßnahmen aufgefordert, ganze Präfekturen für Stunden vom Stromnetz genommen. Automobilhersteller hatten Schäden und Unterbrechungen bei der Produktion zu verzeichnen oder konnten von Zulieferern nicht versorgt werden. Diese Störung bei der Anlieferung traf die Automobilindustrie weltweit.

Die Finanzmärkte reagierten negativ, die wirtschaftlichen Verluste durch die Naturkatastrophe wurden auf mehr als 100 Milliarden US-Dollar geschätzt. Das Angebot internationaler Hilfe an Japan hatte ein weltweites Ausmaß, besonders der Nachbar China zeigte seine Anteilnahme durch Spenden von etwa 260 Millionen US-Dollar, wovon 90 Prozent privaten Spendern zuzuschreiben waren.

Die Katastrophe ohne Ablaufdatum

Zwei Jahre nach dem Super-GAU in Fukushima war der Vorfall aus den Medienberichten praktisch verschwunden. Der dauerhafte Ausnahmezustand mit geschlossenen Schulen und Einkaufszentren, leeren Häusern, die Geisterstädte bildeten, Arbeitern, die in Schutzanzügen verhüllt ihrem Tagwerk nachgingen, wurde von der Weltöffentlichkeit kaum noch wahr genommen. Die Betreiberfirma TEPCO war bemüht, Souveränität zu zeigen. Das war seit den ersten öffentlichen Äußerungen zur Nuklearkatastrophe Fukushima nie anders.

TEPCO entscheidet nach wie vor, wer welche Informationen bekommen oder weitergeben darf. 20.000 Menschen arbeiten täglich daran, die unmittelbaren Folgen im Atomkraftwerk Fukushima-Daiichi und der Zone im Radius von 20 Kilometern zu beheben. Schutt wird weggeräumt, alte Gebäude abgerissen und neue gebaut mit all der Infrastruktur, die dazu gehört. Das ehemalige Trainingslager der japanischen Fußball-Nationalmannschaft, das „J-Village“ wurde zum operativen Zentrum umfunktioniert. TEPCO Sprecher verkünden Besuchern auf organisierten Rundfahrten, dass alles wieder gut wird und jedenfalls beherrschbar ist.

Jahrelange Folgen

Die Messung von Strahlenwerten in den Reaktoren wies nach zwei Jahren noch 3,5 Sievert pro Stunde auf, eine nach wie vor tödliche Dosis. Täglich strömt Grundwasser in die zerstörten Reaktorgebäude, wo es kontaminiert wird. Zur Kühlung der Reaktoren 1 bis 3 müssen 400 Kubikmeter Wasser täglich eingeleitet werden, von denen nur ein Teil dekontaminiert werden kann. Das Wasserproblem gehört auch nach zwei Jahren zu den größten und ist nach wie vor ungelöst.

Im Block 4 waren zum Zeitpunkt des Unglücks Brennelemente zwischengelagert, darum war der Reaktor nicht in Betrieb. Ein neuerliches Beben könnte die notdürftig mit Stahlstützen stabilisierte Konstruktion des Gebäudes über dem Wasserbecken mit 1500 Brennelementen zum Einsturz bringen. In der Ruine des Reaktorblocks 3 lagern unter verbogenen Stahlträgern unter freiem Himmel in einem Abklingbecken abgebrannte Brennelemente.

Weil der geschmolzene Kern im Reaktorbehälter zu hohe Strahlung entwickelt, kann er von Menschen nicht bearbeitet werden. Zustand des Kerns und Wasserstand im Reaktorbehälter sind nicht messbar. Dies ist nur ein Ausschnitt der Unwägbarkeiten, an denen nach zwei Jahren noch täglich 20.000 Menschen arbeiten, um den Status quo, ohne dass der genau zu definieren ist, im Lot zu halten.

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