Der Fliegende Holländer

Die Geschichte des fliegenden Holländers rankt sich um die sagenhafte Gestalt eines verfluchten Kapitäns. Er muss bis in alle Ewigkeit auf dem Meer segeln, kann weder irgendwo anlegen und an Land gehen, noch setzt der Tod seinem Los ein Ende. Ein vermutlicher Ursprung der Sage wird in dem Schwur eines niederländischen Kapitäns gesehen, der ewig auf See fahren wollte, wenn ihm nur die Umsegelung des Kaps der Guten Hoffnung gelänge. Hierzu wird er dann auch umgehend verdammt. Die Legende schlug sich in zahlreichen literarischen und musischen Bearbeitungen unterschiedlicher Art nieder, von alten Dichtungen und Bühnenstücken über Oper und Comic bis hin zu Hollywood-Spielfilmen und Rockmusik. Der Begriff des fliegenden Holländers kann sich dabei gleichermaßen auf den Kapitän wie auf sein Schiff beziehen.

Die Wurzeln der Legende liegen vermutlich in verbalen Überlieferungen aus dem Seemannsmilieu. Schriftlich erschien die Sage vom fliegenden Holländer erstmals im 18. Jahrhundert und sie wurde vor allem im 19. Jahrhundert unter Literaten populär. Zur Grundlage der Sage, dem Schicksal des zur endlosen Irrfahrt Verdammten, fügen sich in der Folge Erlösungsmöglichkeiten. Der Kapitän darf in regelmäßigen Abständen an Land gehen. Dabei werden Perioden mit symbolischen Zahlenwerten wie alle sieben, zehn oder hundert Jahre angeführt. Sollte es ihm dabei gelingen, eine ihn liebende Frau zu finden, kann er vom Fluch der andauernden Irrfahrt befreit werden. Wer dem fliegenden Holländer begegnet, muss allerdings angeblich mit großem Unheil bis hin zum eigenen Schiffsuntergang rechnen. Das Schiff des fliegenden Holländers verfügt über besondere nautische Fähigkeiten. Es soll bei Flaute ebenso wie bei Sturm fahren können und besitzt sogar die Möglichkeit, rückwärts zu segeln. Das Schiff ist schwarz, seine Segel sind rot, die Besatzung ist entweder unsichtbar oder setzt sich aus lebenden Toten zusammen.

Zur Beteiligung Untoter und zum Motiv eines Geisterschiffes als Element der Sage können reale Sichtungen von Schiffen mit verstorbener Besatzung geführt haben. In der isolierten Welt einer Schiffsbesatzung auf hoher See führte der Ausbruch von Seuchen oder anderen Krankheiten regelmäßig zum Tode aller an Bord befindlicher Personen. Passierende Schiffe kamen auf Grund von Sicherheitsbedenken nur ungern mit ihnen in Kontakt und sahen möglichst von Hilfeleistung ab. Als Resultat trieben Schiffe mit erkrankter oder bereits toter Besatzung eine Weile auf dem Meer, bevor sie definitiv untergingen.

Geografischer und historischer Kontext

Das Kap der Guten Hoffnung galt seit seiner Erstumsegelung 1488 durch Bartolomeu Dias zu Recht als besonders gefährlich. Diese Gefahr gründet sich auf dem Zusammentreffen eines warmen Meeresstroms aus dem Indischen Ozean mit einem kalten Strom aus dem südlichen Atlantik. Beide Strömungen, der Agulhasstrom und der Benguelastrom, treffen zwischen Cape Point und Kap Agulhas aufeinander. Hinzu kommen Fallwinde vom mehr als 1000 Meter hohen Tafelberg herab, die das Segelrisiko vor dem Kap der Guten Hoffnung weiter erhöhen. Verwechslungen von Kaps und die Regenzeiten in der Winterperiode auf der Südhalbkugel taten das ihre, um im Laufe der Geschichte zahlreiche Schiffe gerade hier scheitern zu lassen. Bisher wurden über 300 gesunkene Schiffe vor dem Kap der Guten Hoffnung ausfindig gemacht. Während des Sommers auf der südlichen Erdhalbkugel, etwa von Oktober bis April, herrschen starke Südwestwinde und Stürme. Segelschiffen fiel das Kreuzen vor dem Wind in dieser Zeit oft derartig schwer, dass es mehrere Wochen dauern konnte. Man geht davon aus, dass diese Gegebenheit wesentlich zur Entstehung der Legende eines ewig fahrenden Segelschiffes beitrug. Nachdem im Jahr 1869 der Sueskanal eröffnet worden war und eine kürzere Seeverbindung mit Asien ermöglichte, verlor das Kap der Guten Hoffnung an Schrecken, weil es seltener umfahren werden musste. Der Schauplatz der Sage verlegte sich nun bisweilen vor Kap Hoorn an der Südspitze Südamerikas, das nun als gefährlichstes Kap für Seefahrer galt.

Identifizierungsversuche

Zur Identifizierung des fliegenden Holländers mit einer historischen Gestalt bieten sich verschiedene niederländische Seefahrer des 17. Jahrhunderts an, als die Niederlande mit ihrer Ostindien-Kompanie, der VOC (Vereenigde Oostindische Compagnie) die Handelsschifffahrt in den asiatischen Meeren beherrschten. Namentlich Bernard Fokke wird als historische Verkörperung des ursprünglichen fliegenden Holländers genannt. Im Dienste der VOC erreichte er auf dem Weg nach Java (heute zu Indonesien gehörend) sagenhafte Reisezeiten. 1678 legte er den Abstand angeblich in drei Monaten und vier Tagen zurück. Üblich war damals eine Reisezeit von ungefähr sechs Monaten. Fokkes Geschwindigkeit brachte ihn in den Verdacht der Zauberei und man sagte ihm einen Pakt mit dem Teufel nach. Von seiner letzten Reise kehrte er nicht zurück. Andere Namen, die auf der Suche nach historischen Ursprüngen auftauchen, sind die des Niederländers Willem van der Decken, der sich nach langem Kreuzen am Karfreitag 1676 zur Umrundung des Kaps mit dem Teufel verschworen haben soll. Weitere Protagonisten heißen Tyn van Straten, van Diemen, van Evert, Ramhout van Dam und Pieter van Halen. Auch die Gründung der niederländischen Kapkolonie im Jahr 1652 spielte vermutlich eine Rolle bei der Überlieferung eines holländischen Kapitäns.

Die Legendenbildung durch Sichtungen

Berichte angeblich wie Phantome aus dem Nichts auftauchender Schiffe des fliegenden Holländers gehen wahrscheinlich auf Wahrnehmungen zurück, die bei Luftspiegelungen entstehen, wenn kalte und warme Luft aufeinandertreffen. Solche Spiegelungen können, vergleichbar einer Fata Morgana, bewirken, dass weit entfernt fahrende Schiffe quasi über dem Horizont schwebend erscheinen. Überlieferte Sichtungen eines mit dem fliegenden Holländer vermeintlich identifizierten Geisterschiffs sind vor allem aus dem 19. Jahrhundert bekannt. Zu nennen sind dabei Sichtungen durch die HMS Leven vom April 1823 vor der Küste Südafrikas, die des Joseph Summers am 29. Februar 1857 vor der Insel Tristan da Cunha im Südatlantik, der Schiffbruch der General Grant vom 13. Mai 1866 vor den Aucklandinseln nach angeblicher Wahrnehmung des fliegenden Holländers, sowie als vermutlich bekannteste die vom englischen Prinzen Georg, dem nachmaligen britischen König Georg V., schriftlich festgehaltene Sichtung von der HMS Inconstant aus vor der Küste Australiens im Juli 1881. Aus dem 20. Jahrhundert wurden 1942 und 1959 Wahrnehmungen des fliegenden Holländers gemeldet.

Literarische Bearbeitungen

Frühe literarische Überlieferungen entstammen Reiseberichten und Erinnerungen von Seeleuten, die ins 18. Jahrhundert zurückführen, auch wenn sie erst später schriftlich erfasst wurden. Die früheste bekannte literarische Verarbeitung liegt in einer Ballade des Samuel Taylor Coleridge von 1798 vor. Anschließend erscheint der Sagenstoff in weiteren Werken der englischsprachigen Literatur, in Prosa erstmals 1821, wobei ein Kapitän Vanderdecken in der Titelrolle auftritt. Ein Bühnenstück des Edward Fitzball namens The Flying Dutchman ging am 1. Januar 1827 in Premiere. Im deutschen Sprachraum widmete sich Wilhelm Hauff dem Thema 1826 in seiner Geschichte von dem Gespensterschiff. Heinrich Heine griff den Stoff zweimal auf, darunter einmal 1834 unter Verwendung eines Motivs, das wiederholt in Versionen der Sage auftaucht. Es sollen Briefe des Kapitäns zugestellt werden, welche jedoch an Personen gerichtet sind, die allesamt längst verstorben sind. Zur bekanntesten künstlerischen Bearbeitung der Sage zählt Richard Wagners 1843 in Dresden uraufgeführte Oper vom fliegenden Holländer. Wagner war durch Heinrich Heine auf den Stoff aufmerksam geworden, verlegte die Handlung aber vom Kap der Guten Hoffnung zunächst nach Schottland, später nach Norwegen.

Zu den zahlreichen weiteren Autoren, die sich einer Bearbeitung des Themas annahmen, zählen Edgar Allan Poe, Annette von Droste-Hülshoff, Theodor Fontane, der Niederländer Martinus Nijhoff und Gabriel García Márquez. Die symbolische Ladung des als bedrohlich erfahrenen fliegenden Holländer hat sich seit Aufkommen der Sage verändert. Heutzutage wird eine Bezeichnung als fliegender Holländer auch mit Stolz statt Furcht verwendet, so für herausragende Sportler niederländischer Herkunft, wie Arjen Robben, und für die Flugzeuge der Luftflotte der niederländischen Fluggesellschaft KLM.

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