Anfänge der Globalisierung

Die Frage, zu welchem Zeitpunkt in der Geschichte die Globalisierung einsetzte, wird sehr unterschiedlich beantwortet. Während manche sie für ein sehr neues, modernes Phänomen halten, wird sie von anderen als etwas angesehen, das sich tendenziell durch die gesamte Geschichte der Menschheit hindurch zieht. Es ist festzustellen, dass es historisch Wellen der Globalisierung gab, zwischen denen sich immer wieder auch langsamere oder sogar rückläufige Phasen befanden. Die allerjüngste Geschichte ist gar nicht unbedingt die größte dieser Wellen. Die großen Anfänge dürften bereits Jahrhunderte, oder sogar Jahrtausende zurück liegen.

Archaische Globalisierung

Wenn der Begriff Globalisierung sehr großzügig definiert wird, könnte man die frühesten Anfänge bereits im dritten Jahrtausend vor Christus beim Aufkommen von Handelsbeziehungen zwischen Sumer und der Indus-Kultur ansetzen. Dieser Standpunkt hat allerdings nur wenige Vertreter. Eine sehr frühe Form globalisierter Wirtschaft und Kultur herrschte jedoch im Zeitalter des Hellenismus vom vierten bis ins erste Jahrhundert vor Christus.

In dieser Epoche existierten um die griechische Kultur herum städtische Zentren wie Alexandria, Athen und Antiochia am Orontes, deren Vernetzung über ein Gebiet von Indien bis Spanien reichte. Der Handel florierte während dieser Periode, und es entstand zum ersten Mal die Idee einer Weltkultur, bei der das griechische Wort „Cosmopolis“ für eine Weltstadt stand.

Frühform der Globalisierung

Eine weitere frühe Form der Globalisierung wird von manchen Historikern auch in den Handelsverbindungen zwischen dem Römischen Reich, dem Partherreich im heutigen Iran, und der chinesischen Han-Dynastie gesehen. Die Zunahme der wirtschaftlichen Vernetzung zwischen diesen Mächten führte zur Entstehung der Seidenstraße, die von China über das Partherreich bis nach Rom verlief. Ferner segelten jährlich etwa dreihundert griechische Schiffe zwischen der gräko-romanischen Welt und Indien hin und her.

Eine weitere wichtige Phase der frühen Globalisierung war die Blütezeit des Islam von 749 bis 1258 nach Christus, als jüdische und muslimische Händler und Entdecker ein beständiges Netzwerk in der Alten Welt bildeten, das Landwirtschaft, Handel, Wissen und Technologie global verzahnte. Bedeutende Handelsgüter wie Zucker und Baumwolle wurden weit verbreitet, und die arabische Sprache sowie Pilgerfahrten nach Mekka schufen eine globale Kultur. Mit dem Mongolischen Reich wurde das Reisen entlang der Seidenstraße durch ganz Eurasien begünstigt. Der Mongolische Frieden im dreizehnten Jahrhundert hatte weitere globalisierende Effekte. Es entstand ein internationaler Postdienst, aber auch Epidemien wie die Pest konnten sich in Mittelasien rasch ausbreiten.

Solche als archaisch bezeichneten Phasen des globalen Austausches bis ins sechzehnte Jahrhundert waren allerdings immer auf die Alte Welt beschränkt.

Protoglobalisierung

Die nächste, gelegentlich als Protoglobalisierung bezeichnete Phase, war gekennzeichnet durch das Aufkommen europäischer Kolonialreiche, zuerst das portugiesische und spanische, später das niederländische und britische. Im siebzehnten Jahrhundert wurde die Globalisierung zunehmend von privaten Geschäftsunternehmen geprägt. Es entstanden Handelskompanien, die erstmals als multinationale Firmen Geschäfte machten. Das Zeitalter der Entdeckungen dehnte die Globalisierung deutlich aus. Es kam zum kulturellen, materiellen und genetischen Austausch zwischen Eurasien und Afrika einerseits und der Neuen Welt andererseits.

Hierbei lagen die Anfänge im späten fünfzehnten Jahrhundert, als die Königreiche Portugal und Kastilien erste Entdeckungsreisen von der iberischen Halbinsel aus um das Kap der guten Hoffnung und nach Amerika unternahmen, welches 1492 von Christopher Columbus entdeckt wurde. Kurz vor Beginn des sechzehnten Jahrhunderts gründeten Portugiesen Handelsniederlassungen, sogenannte Faktoreien, in Afrika, Asien und Brasilien, um mit lokalen Produkten wie Gold, Gewürzen und Holz zu handeln. Es entstand die Casa da Índia, ein internationales königliches Handelzentrum. Die globale Integration setzte sich fort in der Kolonialisierung Amerikas durch Europäer, mit der der Columbian Exchange, ein Austausch enormer Mengen landwirtschaftlicher Güter zwischen Neuer und Alter Welt, in Gang gesetzt wurde.

Zwischen der östlichen und der westlichen Hemisphäre fand ein gewaltiger Austausch von Pflanzen, Tieren, Lebensmitteln, Menschen, darunter auch Sklaven, Kultur und auch von übertragbaren Krankheiten statt. Es war eines der bedeutendsten globalen Ereignisse der Geschichte im den Bereichen Ökologie, Landwirtschaft und Kultur. Neue Nutzpflanzen, die Seefahrer im sechzehnten Jahrhundert von Amerika nach Europa einführten, trugen in beträchtlichem Maße zum Wachstum der Weltbevölkerung bei.

Moderne Globalisierung

Die moderne Form der Globalisierung hatte ihre ersten Anfänge im neunzehnten Jahrhundert. Die Industrialisierung ermöglichte die günstige Produktion von Massenwaren für Haushalte in einer Zeit der rapiden Bevölkerungszunahme. Die Globalisierung war in dieser Periode stark vom Imperialismus des neunzehnten Jahrhunderts geprägt. Nach den Opiumkriegen zwischen China und dem Britischen Reich, sowie der britischen Eroberung Indiens, wurden die Bevölkerungen dieser Regionen zu bereitwilligen Konsumenten europäischer Exportgüter.

In dieser Epoche wurden auch das südlich der Sahara gelegene Afrika und die pazifischen Inseln in das globale System eingegliedert. Die Unterwerfung neuer Gebiete, besonders in Afrika, durch Europäer brachte diesen wertvolle natürliche Ressourcen ein, wie zum Beispiel Gummi, Diamanten und Kohle. Dadurch wurden Handel und Geldanlagen zwischen europäischen Mächten, ihren Kolonien, und den Vereinigten Staaten von Amerika voran getrieben.

Phasen der Globalisierung

Die erste Phase der modernen Globalisierung kam zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts mit dem ersten Weltkrieg zum Erliegen. In einer zweiten Phase lebte sie nach dem zweiten Weltkrieg wieder auf. Dies ergab sich zum Teil aus dem Bestreben von Politikern, Handelsgrenzen aufzulösen. Es wurde ein neues, internationales Währungssystem mit festen Wechselkursen eingeführt und verschiedene internationale Institutionen zur Überwachung der Globalisierungsprozesse geschaffen. Es wurden die Weltbank und der Internationale Währungsfonds eingerichtet. Beim Handel wurden Kosten systematisch reduziert und internationale Einschränkungen aufgehoben.

In den Vereinigten Staaten und in Europa kam es zur globalen Expansion multinationaler Unternehmen und zum weltweiten Austausch neuer Entwicklungen in Wissenschaft, Technologie und Entwicklung von Produkten. Neue Massenmedien wie Film, Rundfunk und Musikträger lieferten die Grundlage für einen weltweiten Export der westlichen Kultur. Entwicklung und Ausbau internationaler Wege des Transports und der Telekommunikation spielten ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der modernen Globalisierung. Die durch Kommunikationstechnologien und die weltweite Vermarktung westlicher Kultur gekennzeichnete kulturelle Globalisierung erschien zunächst als eine von amerikanischen Einflüssen dominierte Vereinheitlichung.

Daraus ergaben sich jedoch auch bald Protesthaltungen anderer Kulturen, die zu ihrer Verteidigung begannen, eigene lokale Elemente in die globale Kultur einfließen zu lassen. Im Zusammenhang mit der ökonomischen Krise der industrialisierten Länder seit 2008 sprechen manche Analysten von einer weltweiten Periode der Deglobalisierung, also einem Rückgang der Globalisierung.

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