Globalisierung der Finanzmärkte

Als Globalisierung im ökonomischen Sinne wird der zu beobachtende Prozess der zunehmenden weltweiten Verflechtung und Vernetzung des Handels-, Wirtschafts- und Warenverkehrs verstanden. In einem weiteren Sinn umfasst er auch die Internationalisierung politischer und kultureller Beziehungen sowie sonstiger Bereiche, zum Beispiel der Umwelt (Stichwort: Klimawandel). Als Globalisierung der Finanzmärkte wird dabei die wachsende Integration bisheriger nationaler Finanzmärkte bezeichnet. Sie ist gleichbedeutend mit einer kontinuierlichen Intensivierung des grenzüberschreitenden Kapitalaustauschs und der internationalen Aktivitäten von Finanzinstitutionen.

Globalisierung der Finanzmärkte: Ursache oder Wirkung?

Die Globalisierung der Finanzmärkte bildet ein wesentliches Element der sich verstärkenden weltweiten ökonomischen Verflechtung. Zum einen wird sie als Folge des wachsenden internationalen Wirtschaftsverkehrs gesehen, zum anderen haben gerade die Finanzmärkte in den vergangenen Jahren als Beschleuniger der weltwirtschaftlichen Verflechtung gewirkt. Ursache und Wirkung sind nicht immer eindeutig voneinander zu trennen, auf jeden Fall bestehen bei der Globalisierung der Finanzmärkte erhebliche Interdependenzen zu anderen Globalisierungsfeldern.

Gründe für die Finanzmarkt-Globalisierung

Eine deutlich zunehmende weltweite Integration der Finanzmärkte ist etwa seit Beginn der 1980er Jahre zu beobachten. Sie zeigt sich u.a. im besonders ausgeprägten Wachstum des internationalen Wertpapierhandels oder der Devisenumsätze. Neue Marktakteure wie Hedgefonds oder Private Equity-Unternehmen, die international investieren, beeinflussen dabei neben traditionellen Marktteilnehmern – beispielsweise Kreditinstituten oder Investmentgesellschaften – inzwischen stark das Marktgeschehen. Mehrere Faktoren haben zu dieser Entwicklung beigetragen.

Die zunehmende Verflechtung der Realwirtschaft

Langfristig deutlich sinkende Transportkosten, unterschiedliche ökonomische-politische Rahmenbedingungen, Produktionskosten und Standortfaktoren haben zu einer Verlagerung von Industriestandorten weg von den Absatzmärkten in Länder mit günstigeren Kostenstrukturen und zu einer erheblichen Zunahme des internationalen Warenaustauschs geführt. Verstärkt wurde diese Entwicklung noch durch das Ende des Kommunismus und den Übergang zur Marktwirtschaft im ehemaligen Ostblock sowie die wirtschaftliche Öffnung der Volksrepublik China. Die internationalen Kapitalströme wurden hierdurch in ihrem Volumen und ihrer Ausrichtung erheblich beeinflusst. In den ehemaligen Ostblockstaaten und in China entstanden neue, heute auch international bedeutende Finanzplätze.

Innovationen in der Informations- und Kommunikationstechnologie

Die Entwicklung und breite Anwendung der modernen Computertechnologie und neue elektronische Kommunikationsformen haben es ermöglicht, komplexe und große Informationsmengen in kurzer Zeit zu verarbeiten, zu verbreiten und Kapitaltransfers in fast beliebiger Höhe auch über große Entfernungen fast zeitgleich zu veranlassen und auszuführen. Der internationale Wertpapier- und Devisenhandel ist ohne elektronische Handelssysteme heute praktisch undenkbar.

Politische Liberalisierung

Nicht zuletzt, um die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen nationalen Finanzmärkte zu fördern, wurden von vielen Regierungen Kapitalkontrollen, Handels- und Marktzugangsbeschränkungen im Zeitablauf aufgehoben oder abgebaut, gleichzeitig wurde der Spielraum für die Einführung neuer Finanzinstrumente erweitert. Dieser unter dem Schlagwort „Deregulierung“ stattfindende Prozess hat zu einer Fülle von Finanzinnovationen geführt und die internationale Übertragung von Kapital erleichtert. In diesem Zusammenhang ist ein Trend zur Verbriefung von Forderungen und Finanztiteln zu beobachten, der eine wichtige Bedingung für deren Handelbarkeit darstellt. Damit wurden viele neuartige Möglichkeiten zur Risikoabsicherung von Finanztransaktionen, aber auch für spekulative Geschäfte geschaffen. Die Liberalisierung ist ein wesentlicher Ursachenfaktor bei der Ausweitung des Handelsvolumens von Finanzinstrumenten über traditionelle und neue Marktakteure.

Argumente für und gegen die Globalisierung der Finanzmärkte

Die Globalisierung der Finanzmärkte wird intensiv diskutiert und kontrovers beurteilt. Je nachdem, wie die beobachteten Auswirkungen im Einzelnen bewertet und gewichtet werden, überwiegen positive oder negative Einschätzungen. Befürworter der Finanzmarkt-Globalisierung verweisen vor allem auf die positiven wirtschaftlichen Wachstumseffekte und bessere Möglichkeiten zur Risikostreuung. Kritiker beziehen sich auf die höhere Krisenanfälligkeit, größere Abhängigkeiten und geringere geldpolitische Steuerungsmöglichkeiten bei internationalen Finanzmärkten.

Wachstumsimpulse dank Globalisierung

Durch den Abbau von Handelsschranken und dank der Möglichkeiten der modernen Kommunikations- und Informationstechnologie wird das Kapital zwangsläufig und effizient dorthin gelenkt, wo es am produktivsten und rentabelsten eingesetzt werden kann. Für profitable Unternehmen bedeutet dies potentiell einen besseren Zugang zu Kapital und tendenziell auch günstigere Kapitalkosten, wenn ihnen der internationale Kapitalmarkt zur Finanzierung offensteht. Dies gilt nicht nur für international operierende Großunternehmen, über Finanzintermediäre wie internationale Private Equity-Anbieter können auch kleinere Unternehmen am internationalen Kapitalmarkt partizipieren.

Grundsätzlich wird durch den Zugang zu den internationalen Finanzmärkten die Abhängigkeit von klassischen Unternehmensfinanzierern, insbesondere Kreditinstituten, verringert. Ein größeres Kapitalangebot und günstigere Finanzierungskosten verbessern die Rahmenbedingungen für Unternehmensinvestitionen und können somit positive Wachstumsimpulse setzen. Insbesondere Schwellenländer mit noch schwach entwickelten eigenen Kapitalmärkten dürften in den vergangenen Jahren hiervon profitiert haben. Aber auch auf die Weltwirtschaft als Ganzes gesehen können positive Effekte festgestellt werden.

Größeres Anlagespektrum und bessere Risikostreuung

Für Anleger bedeutet die Globalisierung der Finanzmärkte zunächst eine Erweiterung ihrer Anlagemöglichkeiten. Diese können mit zusätzlichen bzw. besseren Renditechancen verbunden sein, aber auch mit weiteren Möglichkeiten zur Risikostreuung, da Anleger ihre Risiken geographisch betrachtet besser verteilen können. Ein verbessertes Rendite-Risiko-Verhältnis bringt Anlegern prinzipiell einen höheren Nutzen ihres Anlageportefeuilles. Sie können ihr Kapital effizienter investieren als bei Beschränkung nur auf den nationalen Finanzmarkt.

Bessere Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte

Durch den Wettbewerb der Akteure an den internationalen Finanzmärkten und durch die Konkurrenz der einzelnen Finanzplätze untereinander wirken Mechanismen, die die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte tendenziell weiter verbessern. Zum einen wird durch die Konkurrenz ein Druck zur Einführung und Anwendung der jeweils modernsten Informations- und Kommunikationstechnologien sowie zur Einführung innovativer Finanzinstrumente ausgeübt, zum anderen wirkt der Wettbewerb auch disziplinierend auf den jeweiligen Gesetzgeber bei der Schaffung günstiger rechtlicher Rahmenbedingungen für die Funktions- und Wettbewerbsfähigkeit eines Finanzplatzes.

„Heuschrecken“-Gefahr

Kritiker sehen in vermehrten Unternehmensübernahmen durch ausländische Investoren infolge der Globalisierung der Finanzmärkte eine Gefahr. Solche Übernahmen werden durch die Internationalisierung sicher begünstigt. In der sogenannten Heuschreckendebatte ist vor allem internationalen Finanzinvestoren vorgeworfen worden, Übernahmen heimischer Unternehmen primär unter kurzfristigen Rendite- und Spekulationsgesichtspunkten zu betreiben und langfristige Aspekte der Unternehmenssicherung zu vernachlässigen. Wenn auch im Einzelfall eine solche Motivation nicht ausgeschlossen werden kann, konnte sie bisher jedoch in der Breite nicht empirisch belegt werden.

Stärkere Krisenanfälligkeit

Viele sehen in der Globalisierung der Finanzmärkte eine höhere Anfälligkeit für Krisen, die in anderen Regionen der Welt verursacht worden sind. Spekulativ eingesetzte Finanzinnovationen tragen dabei tendenziell noch zu größeren Kursausschlägen bei, als dies in der Vergangenheit der Fall war und verstärken so Krisenerscheinungen. Dieses Argument ist nicht von der Hand zu weisen und stellt eine Kehrseite der positiven Effekte der zunehmenden weltweiten Verflechtung dar. In dem Maße, in dem nationale Marktschranken abgebaut werden und es zu einer stärkeren internationalen Verflechtung von Finanzbeziehungen kommt, partizipieren Akteure an den internationalen Finanzmärkten nicht nur an positiven sondern auch an negativen Entwicklungen. Besonders evident wurde dies in der Finanzkrise 2007/08, als die Krise des US-Hypothekenmarktes aufgrund der weltweiten Verflechtung sehr schnell erhebliche globale Auswirkungen auf das internationale Finanzsystem zeigte.

Geringere Steuerungsmöglichkeiten

Die Möglichkeiten der nationalen Zentralbanken zur Geldpolitik und Geldmengensteuerung sind durch den Prozess der Globalisierung zweifelsohne eingeschränkt worden. Aufgrund des Wegfalls von Marktbarrieren und der hohen Kapitalmobilität sind die Steuerungsmöglichkeiten einer einzelnen Zentralbank in ihrer Wirksamkeit geringer geworden, eine umso größere Bedeutung kommt daher heute einer internationalen Abstimmung geldpolitischer Maßnahmen zu. In einer Welt globalisierter Finanzmärkte kann letztlich auch nur eine übernational koordinierte Geldpolitik Wirkung entfalten. Dass dies auch für eine übernational agierende Zentralbank eine Herausforderung darstellt, zeigt sich aktuell am Beispiel der Europäischen Zentralbank im Rahmen der Euro-Krise.

Alternativen zur Globalisierung der Finanzmärkte?

Ein Ende der Globalisierung sowohl der Finanzmärkte als auch der übrigen Wirtschaftsbereiche ist nicht absehbar. Solange in der Weltwirtschaft erhebliche Unterschiede hinsichtlich der ökonomischen Grundlagen, Entwicklungen und Rahmenbedingungen bestehen, dürfte sich der Globalisierungsprozess fortsetzen. Auch die Abkopplung eines nationalen Finanzmarktes vom allgemeinen Trend ist wegen der gravierenden wirtschaftlichen Folgen nur schwer vorstellbar. Die Beaufsichtigung und Setzung von geeigneten Rahmenbedingungen für die Finanzmärkte bleibt eine Aufgabe internationaler Wirtschaftspolitik.

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