Vulkanausbruch auf Kamtschatka in Russland

Das jüngste Naturschauspiel auf Kamtschatka, der Ausbruch des Vulkans Plosky Tolbatschik im November 2012, lenkt die Blicke der Öffentlichkeit auf den spektakulären Vulkanismus und die geologischen Besonderheiten der langgestreckten russischen Halbinsel, die als ein Ausläufer Sibiriens in südlicher Richtung ins Meer verläuft und ihre mythisch anmutende Benennung als ‚das Land aus Feuer und Eis‘ absolut verdient: Die Halbinsel Kamtschatka ist nur wenig größer als Deutschland, unterscheidet sich aber durch ihre langgestreckte Form: Sie ist ca. 1500 km lang und wurde durch das Zusammenstoßen von 2 tektonischen Erdkrustenplatten – Bering Block und pazifische Platte -, die sich innerhalb dieser Subduktionszone wiederum beide noch unter den eurasischen Kontinent schieben, herausgebildet. Auf diese Weise wurde und wird entlang der tektonischen Platten die Halbinsel hochgeschoben, ein Prozess, der sich jedes Jahr um einige cm fortsetzt, so dass die Erdmassen in fortwährender Bewegung bleiben.

Im Inneren Kamtschatkas hat sich durch das Aufeinandertreffen der Erdplatten eine tiefe, lange Senke gebildet, die auf beiden Seiten von zwei Gebirgsketten gesäumt ist. Entlang dieser instabil gegründeten Gebirge brechen zahlreiche Vulkane immer neu aus oder ragen als inzwischen erloschene Vulkanstutzen empor und legen Zeugnis früherer geologischer Epochen ab.

Viele aktive Vulkane

Insgesamt sind fast 30 der über 160 Vulkane auf Kamtschatka aktiv; das ist ein Superlativ, denn damit weist die 370.000 km² große Halbinsel die höchste Vulkandichte der Erde auf. Darunter befindet sich auch der höchste Vulkan in Eurasien, der Klyuchevskoy, welcher mit seiner außergewöhnlichen Höhe von 4750 m alle anderen Vulkane überragt und seit 1994 wieder ausgebrochen ist. Durch den steten Lavafluss wächst der Vulkankegel seitdem immer weiter und gewinnt stetig an Masse. Sein direkter Nachbar, der Vulkan Kamen steht ihm mit 4585 m Höhe kaum nach, dabei handelt es sich aber um einen bereits erloschenen Vulkan. Zusammen bilden sie eine wirklich eindrückliche Silhouette, die das Landschaftsbild von Kamtschatka maßgeblich prägt. Aber auch die Vielzahl weiterer spitzer Vulkankegel, teilweise schneebedeckt, tragen dazu bei, dass über weite Strecken der Eindruck einer wahren Mondlandschaft dominiert.

Viele verschiedene Vulkanarten

Für den Vulkanologen bedeutet die Halbinsel eine Fundgrube ohnegleichen: So existieren neben den Stratovulkanen mit den spitzen Kegeln, bei denen sich Lavaschichten und Lockermassen übereinander ablagern, die Caldera-, also Kessel-Vulkane, die meist durch hochexplosive Ausbrüche entstehen. Bei diesen plinianischen Eruptionen baut sich zuvor durch den Aufstieg mehrerer Kubikkilometer Magma im Schlot des Vulkans ein ungeheurer Druck auf, der schließlich den Pfropf und weitere Gesteine und Materialmassen in großer Geschwindigkeit herausschleudert; riesige Aschewolken entladen sich, eine gigantische, bis in die Stratosphäre reichende Eruptionssäule schießt heraus und steigt steil auf.

Vulkane mit derartigen Ausbrüchen werden Supervulkane genannt; auf Kamtschatka gehört beispielsweise der Shiveluch, der sich in der zentralen Subduktionszone in der Nähe des Klyuchevskoy befindet, dazu. Ebenso wie der Inselnachbar Japan ist auch Kamtschatka aufgrund der gemeinsamen instabilen geologischen Fundamente, die durch die sich ineinanderschiebenden tektonischen Platten gegeben sind, jederzeit erdbeben- und tsunamigefährdet.

Aktuell aktive Vulkane

Seit dem 27. November 2012 ist der Vulkan Plosky Tolbachik nun wieder aktiv, wenn auch mit wechselnder Ausbruchsintensität; riesige Aschewolken schweben bis zu einer Höhe von 4 km über dem seit 36 Jahren erstmalig wieder Feuer und Asche spuckenden Vulkan und der Umgebung. Weitere Eruptionen könnten bevorstehen. Der Ausbruch kam nach Aussagen von Vulkanologen überraschend, denn er wurde erst ca. 100 Jahre nach den letzten Eruptionen erwartet, und es treten dabei unerwartete Phänomene auf: So werden Lava und Asche nicht wie sonst aus dem Hauptkrater ausgestoßen, sondern quellen aus Seitenkratern hervor. Auch dass, wie dieses Mal, Lavaseen entstehen, ist bisher bei den Vulkanen auf Kamtschatka noch nicht zu beobachten gewesen. Der Ausstoß geschmolzener Gesteinsmassen führte zur Zerstörung von Waldgebieten in der Umgebung.

Zivilisation und Natur auf der Vulkanhalbinsel

Die Bevölkerung auf Kamtschatka kommt gewöhnlich trotz der ungeheuren Dichte vulkanischer Aktivitäten dadurch nicht zu Schaden. Das liegt vor allem an der sehr dünnen Bevölkerungsdichte und der überwiegenden Verteilung der ca. 380.000 Bewohner auf die drei großen, nahe beieinander liegenden urbanen Zentren der Halbinsel, die nicht durch lebensbedrohliche Folgen der Vulkanaktivitäten betroffen sind. Mehr als die Hälfte der Bewohner lebt allein in der wirtschaftlich bedeutenden Hauptstadt Petropawlowsk-Kamtschatski, die im Südosten der Halbinsel an der Awatscha-Bucht gelegen ist. Sie unterhält das vulkanologische Institut und ist ein wichtiger Marinestützpunkt mit einem großen Hafen an der Mündung des Flusses Awatscha.

Es gibt noch zwei weitere Städte, die diesen Namen verdienen, Jelisowo (wird bei Google Maps ‚Elizovo‘ geschrieben) mit fast 40.000 Einwohnern und Wiljutschinsk (wird bei Google Maps ‚Vilyuchinsk‘ geschrieben) mit knapp 23.000 Einwohnern; die anderen Siedlungen können eher als Dörfer bezeichnet werden, und nur sehr wenige zählen mehr als 2000 Einwohner. Die drei großen Städte liegen relativ nahe beieinander im Südosten der Halbinsel, so dass die Bevölkerungsdichte von Kamtschatka dort konzentriert ist.

Sperrung der Halbinsel von Kamtschatka

Die russische Halbinsel Kamtschatka war bis 1990 für Besucher aus dem Ausland gesperrt, zuvor war sie über eine Dauer von ca. 50 Jahren als militärisches Sperrgebiet ausgewiesen gewesen. Niemand durfte ohne Sondererlaubnis des KGB die Halbinsel betreten, da sich dort eine Spionagebasis der Sowjets befand, die den USA sehr nahe lag. Erst seit 1991 ist es für Besucher möglich, die Naturwunder und märchenhafte Schönheit der Halbinsel zu entdecken. Seit 1996 gehören die Vulkanregionen von Kamtschatka laut Erklärung der UNESCO zum Weltnaturerbe. Allerdings bleibt fraglich, ob Kamtschatka seine einzigartige Naturschönheit, die bisher noch nicht durch Massentourismus beeinträchtigt wurde, auch in Zukunft bewahren kann.

Bodenschätze

Da die Halbinsel in ihren geologischen Besonderheiten Alaska ähnelt, werden dort ebenfalls immense Bodenschätze vermutet, vor allem Gold und Silbervorkommen, deren Ausbeutung zur Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts führen könnte.

Zurzeit aber ist Kamtschatka noch eine Naturidylle, die an landschaftlicher Vielfalt kaum ihresgleichen findet: Hier erstrecken sich neben den Tundraebenen und teils schneebedeckten Gebirgen, den Vulkanen sowie den über 400 Gletschern auch weite Moore, Birkenwälder und jene landschaftlichen Besonderheiten, die durch die Vulkantätigkeit hervorgerufen werden: Kraterseen, gefärbte schwefelhaltige Gewässer oder düstere Aschestrände und zahlreiche Geysire. Zu einer der spektakulären Naturattraktionen zählt das Tal der Geysire – Dolina Geiserow – im Nationalen Kronozki-Biosphärenreservat Kamtschatka, wo fast 100 Geysire und heiße oder warme Quellen aus der Erde und dem felsigen Grund strömen oder aufsteigen. Den ursprünglichen Einwohnern von Kamtschatka galt das Tal der Geysire als ein heiliger Ort, der von ihnen geheim gehalten wurde. Daher gelangten die ersten Kenntnisse davon erst nach 1950 durch die Berichte einer Wissenschaftlerin an die Öffentlichkeit. Erwähnt werden soll noch, obwohl es das Thema des Vulkanismus sprengt, dass es zahlreiche halbwilde Braunbären auf Kamtschatka gibt, die dank des langjährigen Einsatzes eines Wildhüters mit den Menschen bisher in toleranter Koexistenz leben konnten.

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