Globalisierung in Marokko

Die Globalisierung ist ein Phänomen, das seit dem Fall des Eisernen Vorhangs und damit dem Ende der Teilung der Welt zu beobachten ist. In Kombination mit den Möglichkeiten, welche durch die neuen Medien gegeben worden sind, handelt es sich um eine weltweite Vernetzung von Warenströmen, Handel, Finanzströmen, Informationen und Dienstleistungen zusammen mit riesigen Migrationsbewegungen. Kurz gesagt ist Alles mit Allem verbunden und vernetzt, so dass einzelne Länder kaum noch in der Lage sind, für sich selbst tatsächlich gültige Entscheidungen zu treffen und gegenüber den Interessen der internationalen Märkte durchzusetzen. Die Globalisierung hat längst auch Staaten erreicht, welche vor einiger Zeit noch als weitgehend autark und in sich abgeschlossen gelten durften. Ein Beispiel hierfür ist Marokko.

Marokko vor der Globalisierung

Marokko ist ein Staat im äußersten Nordwesten Afrikas. Das Land ist eine konstitutionelle Monarchie, wobei dem König weitreichende Rechte eingeräumt werden. Obwohl es ein islamischer Staat ist, ist die Rolle der Frau oder auch der christlichen Minderheit im Vergleich zu anderen arabischen Staaten verhältnismäßig gut; auch bei den allgemeinen Menschenrechten gibt es zwar immer wieder Grund zur Klage etwa von amnesty international, allerdings sind die Verstöße längst nicht so gravierend wie in anderen vergleichbaren Ländern in unmittelbarer Nachbarschaft zu Marokko.Vor der Globalisierung war Marokko ein zum großen Teil agrarisch geprägtes Land mit dem Bergbau als zweitem großen Wirtschaftszweig. Ein großer Teil der weltweiten Phosphatvorkommen ist hier beheimatet. Tourismus war ebenfalls eine Einnahmequelle, wenngleich kein Massentourismus wie in anderen Mittelmeerländern zu verzeichnen war. Die wirtschaftliche Verflechtung mit Frankreich als ehemaliger Kolonialmacht und mit Spanien wegen der geographischen Nähe war traditionell stark, wenn auch nicht mit heute zu vergleichen.

Die Globalisierung in Marokko

Mit der Globalisierung wurde Marokko vor allem als „Werkbank“ für die europäische Fischerei– und auch Textilindustrie interessant. Ein treffendes Beispiel hierfür sind Nordseekrabben, welche mit dem Schiff nach Marokko gebracht und dort gepult werden. Anschließend werden die Krabben wieder nach Europa verbracht und dort verzehrt. Der Grund für diese scheinbar absurde Arbeitsteilung liegt darin begründet, dass im Zuge der Globalisierung die Unternehmen in keiner Weise an den Umweltschäden beteiligt werden, welche durch solche erkennbar unnötigen Transporte verursacht werden. Die schieren Transportkosten indessen sind so niedrig, dass der erbärmliche Lohn der marokkanischen Arbeiter und vor allem Arbeiterinnen diese allemal auffängt. Auf diese Weise zementiert sich ein enormes Gefälle zwischen einem Land wie Marokko und dem lediglich 14 Kilometer entfernten Spanien, was zu illegaler Migration mit vielen Todesopfern auf dem gefährlichen Seeweg führt. Die ankommenden Flüchtlinge erwartet zudem im goldenen Europa selten eine rosige Zukunft, eher schon ein quälendes Jahr in einem Internierungslager mit anschließender Abschiebung oder ein Leben in der Illegalität. Auch die europäische Textilindustrie hat Marokko als Land billiger Arbeitskräfte für sich entdeckt. Teilweise aufgeschreckt über die Bedingungen der Textilarbeiter in noch billigeren Ländern wie Bangladesch, aber auch, um gegen möglicherweise steigende Transportkosten gefeit zu sein, hat sich in Marokko eine boomende Industrie angesiedelt, in der Textilien für Europäer genäht werden. Die marokkanische Regierung kommt dieser Entwicklung entgegen, indem etwa Umweltvorschriften nicht existieren oder nicht umgesetzt werden, um den Investoren aus dem Ausland einen wohligen Platz bieten zu können.

Marokko und der arabische Frühling

Ein weiterer Aspekt der Globalisierung ist der Informationsaustausch über das Internet. Dieser hat sicher dazu beigetragen, dass die überwiegend junge Bevölkerung in den arabischen Ländern ihre Unzufriedenheit mit den eigenen Lebensumständen letztlich gewaltsam auf die Straßen getragen hat, wobei die Ergebnisse bis dato noch nicht abzusehen sind. Ob es zu einer Demokratisierung oder eher zu einer Islamisierung der betroffenen Staaten kommen wird, scheint derzeit völlig offen zu sein. Marokko ist von größeren Ausschreitungen bislang verschont geblieben, was einerseits an einer relativ liberalen Staatsführung liegt, welche weniger repressiv als in anderen arabischen Staaten über die Bevölkerung herrscht.

Auf der anderen Seite haben der König und die Regierung durch verschiedene vorbeugende Gesetzesmaßnahmen versucht, entsprechende Strömungen entgegen zu steuern. Zudem hat das Land im Vergleich zu anderen Staaten in der Region keine größeren Sympathien etwa für die Muslim-Brüder oder noch extremere Gruppierungen in der Bevölkerung zu verzeichnen. Dennoch ist nicht sicher, ob die benachbarten Unruhen nicht auf das Land übergreifen könnten: Vor allem in der Westsahara operierende Berbermilizen könnten schon bald dem Einfluss von Al Qaida verfallen, zumal Mali eine gemeinsame Grenze mit Marokko hat. Auch Algerien mit seinen zahlenmäßig starken Gotteskriegern und einer Armee von zweifelhafter Loyalität grenzt an Marokko; die lange Wüstengrenze ist leicht zu überwinden. Inwieweit die sich nun vor den Franzosen zurückziehenden Islamisten über die Westsahara und Mauretanien in das Königreich einsickern werden und welche Auswirkungen dies haben wird, lässt sich schwer vorhersagen. Islamistische Tendenzen in dem Land selbst würden jedoch ohne Zweifel die EU und wohl auch die NATO auf den Plan rufen.

Nach der Globalisierung: Chancen und Risiken

Teile der Globalisierung scheinen ihren Endpunkt erreicht zu haben: Der ungehemmte Transport von Gütern zur schieren Weiterverarbeitung mit anschließendem Rücktransport dürften bald der Vergangenheit angehören, da der Klimaschutz mittlerweile international und besonders in Europa breiteres Gehör findet. Dies kann einerseits mit dem Verlust der Arbeitsplätze für die marokkanischen Krabbenpulerinnen und Nährerinnen einhergehen, andererseits der marokkanischen Gesellschaft die Chance eröffnen, mehr für sich selbst zu produzieren und nicht als billige Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen für die europäische Bevölkerung ein Dasein als Verlierer der Globalisierung fristen zu müssen. Die Fischerei, welche im Aufwind begriffen ist, könnte ein wichtiger Wirtschaftszweig werden, wenn das Land nicht nur die Weiterverarbeitung sondern die gesamte Produktion der Fisch- und Krabbenprodukte übernimmt. Es ist noch immer nicht anzunehmen, dass Krabben in den nächsten Jahren in Deutschland zu hiesigen Stundenlöhnen gepuhlt und dann auch noch verkauft werden können; eher ist anzunehmen, dass der hiesige Konsum von Nordseekrabben einbrechen wird und sich die Verbraucher auf Produkte aus billigeren Ländern einstellen. Sofern faire Fangregelungen umgesetzt werden, welche ein Leerfischen der Küsten durch westliche Fischereifabriken beschränken, kann dem Land hier eine Chance entstehen.

Inwieweit die Globalisierung der Informationen zu einer Säkularisierung der arabischen Welt führen wird oder ob letzten Endes Islamisten die Frustration der zahlreichen jungen Menschen für sich nutzen werden, steht in den Sternen. Der Westen scheint jedenfalls noch kein probates Mittel gefunden zu haben, um den verschiedenen Strömungen in der unruhigen Region einen für alle Seiten befriedigenden Weg weisen zu können.

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