Globalisierung in Afghanistan

Afghanistan ist beim Thema Globalisierung wohl ein außergewöhnlicher Sonderfall. Schon seit Jahrzenten wird die Gesellschaft, Politik und Wirtschaft fremd bestimmt, was zu heftigen Konflikten führt, unter denen die einheimische Bevölkerung leidet. Nun steht das Land an einem Scheideweg. Die internationalen Truppen ziehen sich merklich zurück, doch noch immer ist der Frieden in weiten Teilen des Landes nicht gesichert und niemand weiß genau, wie sich der Truppenabzug auf die weitere Geschichte des Landes auswirken wird.

Afghanistan unter Fremdherrschaft

Dabei waren Großteile des Landes lange Zeit fast komplett von dem Rest der Welt abgeschnitten. Nahezu Dreiviertel des Landes besteht aus Regionen, die durch die Lage in unwirtlichen Gebirgen kaum zugänglich sind. In den Jahren des Kalten Krieges war das Land dann lange ein Spielball der Großmächte in Ost und West und konnte sich so weder in der einen, noch in der anderen Kultur wirklich entwickeln. Daher kam es in den Folgejahren zu einem starken Rückzug in die Lehren des Islam. Es entstand ein Nährboden für radikale Islamisten, die einer Globalisierung, gerade auch im kulturellen Bereich, deutlich im Weg standen. Auch wenn der Islam in diesem Land traditionell immer schon sehr konservativ ausgelegt und gelebt wurde, wurde dies unter der Herrschaft der Taliban noch weiter gesteigert. Gerade die Rechte der Frauen wurden noch weiter beschnitten.

Dabei wurde keine Möglichkeit gegeben, westliche Kultur mit den eigenen Grundsätzen zu verbinden. So kommt es auch, dass die Medien äußerst reglementiert sind. Mittlerweile gibt es sechzehn Sender, die sich allerdings streng an nationale Standards halten und nicht mit den kritischen modernen Ländern anderer Staaten zu vergleichen sind. Allerdings gibt es zwei internationale Sender und mehrere der nationalen Sender werden in den USA produziert. Viel Einfluss auf das alltägliche Leben in Afghanistan nehmen die internationalen Hilfsorganisationen, die seit dem Anfang des 21. Jahrhunderts verstärkt in Afghanistan arbeiten und die Menschen dabei oft unabsichtlich oder absichtlich mit fremden Kulturen in Kontakt bringen. Dabei wird deutlich, dass das Land in sich zerrissen ist. In einigen Gegenden können die Organisationen große Erfolge erzielen und den Menschen nachhaltige Hilfe zukommen lassen, in anderen Regionen allerdings wurde die Hilfeleistung vollkommen eingestellt. Nahezu der ganze Süden gilt als Sperrgebiet, das als zu unsicher für internationale Hilfstruppen gilt.

Einfluss anderer Länder

Politisch haben andere Länder immer sehr direkt Einfluss in Afghanistan genommen, auch wenn diese Globalisierung von der einheimischen Bevölkerung nie wirklich angenommen wurde und die von anderer Seite bestimmten Systeme nie lange Bestand hatten. Dabei ist natürlich die Einwirkung der internationalen Truppen zu nennen, die seit Oktober 2001 in Afghanistan stationiert sind und gegen das Regime der Taliban vorgehen, die die Terrororganisation Al-Qaida unterstützt haben. Schnell wurde eine provisorische Regierung eingesetzt, die 2002 von einer Übergangsregierung abgelöst wurde. Dabei setzten die internationalen Truppen unter Führung der USA auf Zusammenarbeit mit nationalen Kräften, behielten dabei aber immer den aktiven Part. Auch darum waren die Regierungen dieser Zeit innerhalb der einheimischen Bevölkerung äußerst umstritten und lokale, inoffizielle Machthaber konnten ihren Einfluss festigen und ausweiten. Teilweise wurden sie so in ihrem Bereich mächtiger als die offizielle Regierung. In den meisten Fällen wehren sie sich dabei gegen diese und den Einfluss der internationalen Truppen. Daneben gibt es noch weitere Länder, die die Politik in Afghanistan erheblich mitbestimmen. Dabei ist zum Beispiel das Nachbarland Pakistan zu nennen. Auch wenn dieses Land offiziell als Verbündeter der NATO gilt, werden hier immer wieder gezielt Mitglieder der Taliban versteckt und ausgebildet.

Es ist kein Wunder, dass ausgerechnet hier der Topterrorist Osama bin Laden aufgefunden wurde. Zwar werden die Taliban hier nicht offiziell unterstützt, sie werden aber eben auch nicht gezielt bekämpft oder aufgehalten. Auf diese Weise wurde der Terrororganisation ermöglicht, sich nach der Vertreibung aus Afghanistan neu zu sammeln und wieder zu formieren. In den Jahren 2003 bis 2006 haben sich auch darum die Anschläge gegen internationale Truppen, Hilfsorganisationen und ähnliche Einrichtungen erheblich gesteigert. Gerade der pakistanischen Armee wird daher immer wieder vorgeworfen, alle zu tun, um in dieser Region an Einfluss und Macht zu gewinnen. Seit 2005 gibt es nun in Afghanistan ein gewähltes Parlament, das aber dennoch immer noch eng mit den Fremdmächten im Land zusammenarbeitet. Bei den Wahlen 2009 wurde von internationalen Beobachtern erheblicher Wahlbetrug vorgeworfen, in den folgenden Entwicklungen wurde das noch junge System auf eine harte Probe gestellt.

Soziales Leben in Afghanistan

Eine der größten Schwierigkeiten der Globalisierung in Afghanistan ist aber, dass die einheimische Bevölkerung kein Vertrauen mehr in fremde Einflussnehmer hat. Die Propaganda der Taliban hat diese jahrelang als Feinde des Islam gezeigt und verdeutlicht, dass die eigene Religion nicht mit den Wertvorstellungen gerade westlicher Staaten zu vereinbaren ist. Dazu kommt, dass die Zivilbevölkerung nicht das Gefühl bekommt, dass die internationalen Truppen sie vor Gewaltmaßnahmen schützen können. Das gehört zur Taktik der Taliban, die gezielt Anschläge auf die Zivilbevölkerung verüben. Laut Angaben der Vereinten Nation waren 2009 76% aller Opfer des vertriebenen Regimes Mitglieder der einheimischen Bevölkerung und rein zufällig ausgewählt. Auch 2010 kamen rund ein Drittel der Opfer direkt aus der Zivilbevölkerung. Auf diese Weise wird das Vertrauen in die westlichen Mächte langsam zermürbt, die Taliban stellen sich als Heilsbringer dar. Eine weitere Methode ist außerdem, das gewählte Parlament als Marionette fremder Mächte darzustellen und somit zu diskreditieren. Ein Problem ist, dass die Truppen einheimische Polizisten ausbilden müssen und dabei leider oft von eigenen Leuten angegriffen werden. Auf diese Weise wird auch die Zusammenarbeit zur Sicherung des Landes immer wieder auf eine harte Probe gestellt.

Globalisierung durch Wirtschaft

In vielen Ländern wurde die Globalisierung durch wirtschaftliche Verflechtungen vorangetrieben. Durch die unsichere Lage in Afghanistan jedoch wagen es internationale Unternehmen kaum, in die Wirtschaft des Landes zu investieren. Immer wieder wird diskutiert Pipelines durch das Land zu legen und somit die riesigen Erdölfelder in der Region, um Afghanistan mit dem Meer zu verbinden. Baubeginn Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Pipeline sollte eigentlich bereits 2006 sein, doch auch dieses Projekt ist an der unsicheren Lage gescheitert. Daneben gibt es kaum Industrie, die meisten Menschen leben von Landwirtschaft. Gerade im Süden werden dabei Opiate angebaut und dann mit westlichen Ländern gehandelt. Davon jedoch profitieren nur die lokalen Machthaber und nicht die nationale Wirtschaft.

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