Thule-Gesellschaft

Die Thule-Gesellschaft wurde im August 1918 von Rudolf von Sebottendorf in München geründet. Der ursprüngliche Name hieß „Thule Gesellschaft, Orden für deutsche Art“ und war nur ein Deckname für die Geheimverbindung „Germanenorden“. Der Name Thule stammt von der gleichnamigen Insel Thule, die in der griechischen Mythologie erwähnt wird. Riesenhaften Uebermenschen sollen auf der Insel Thule gelebt haben, die mit magischen Kräften eine Verbindung mit dem Kosmos herstellen konnten.

Rudolf von Sebottendorf

Der Gründer der Thule-Gesellschaft Rudolf von Sebottendorf wurde am 9. November 1875 in Hoyerswerda geboren. Sein wirklicher Name war Rudolf Glauer. Nachdem er sein Ingenieurstudium abgebrochen hatte, ging er für einige Jahre in die Türkei und widmete sich verschiedenen esoterischen Lehren wie dem Sufismus, der Astrologie, der „Geheimlehre“ von Helena Blavatsky und verschiedenen ariosophischen Ideen. Im Jahre 1913 kehrte er nach Deutschland zurück und konnte vor den Behörden durchsetzen, dass sein Name geändert wird, mit der Begründung, dass er in der Türkei von einem Baron von Sebottendorf adoptiert wurde.

Philosphie und Organisation der Thule-Gesellschaft

Die Thule-Gesellschaft war ein logenartiger Verband, der eine alldeutsch und antisemitische Rechtsordnung verfolgte. Ihr eigentlicher Ursprung war ein geheimer Germanenorden mit antisemitischen Thesen. Das Münchner Hotel „Vier Jahreszeiten“ war der Treffpunkt für die regelmäßigen Mitgliederversammlungen. Die Mitglieder der Thule-Gesellschaft bestanden aus dem Hotelinhaber Alfred Walterspiel und mehreren Pesonen der elitären gesellschaftlichen Oberschicht. Die Gesellschaft hatte nichts mit den Freimaurern zu tun, kopierte aber viele Elemente der Mitgliederorganisation dieser Loge. Das Symbol für die Thule-Gesellschaft war ein Hakenkreuz mit Schwert. In den „Vier Jahreszeiten“ war auch eine Redaktion der Thule-Gesellschaft untergebracht, die für eine eigene antisemitische Zeitung „Münchener Beobachter“ verantwortlich war. Der „Münchener Beobachter“ wurde im Dezember 1920 an die NSDAP verkauft, die dann die Zeitung in den „Völkischer Beobachter“ umbenannte. Im Laufe der Zeit wollte Rudolf von Sebottendorf die Lehre der Ariosophie als Grundthese in die Thule-Gesellschaft einführen. Die Ariosophie war eine „rassistische Religion“, die eine überlegene arische Rasse mit Hilfe von okkulten und esoterischen Elementen wie Astrologie, Handlesekunst, Numerologie, Kabbala und Graphologie hervorbringen wollte. Sebottendorf versuchte mit geheimen Studienkreisen die Ariosophie in die Thule-Gesellschaft zu integrieren. Die Philosophie der Thule-Gesellschaft bestand in einer geistigen Kombination aus völkischen Traditionen mit okkulten fast heidnischen Rassegedanken, die vor allem in antisemitischen Hetzkampagnen zum Ausdruck kamen. Der Jude wurde als „Todfeind des deutschen Volkes“ bezeichnet, weil er die für die sogenannte Räterevolution 1918/1919 verantwortlich gemacht wurde.

Der „Kampfbund Thule“ und seine Aktivitäten

Der sogenannte „Kampfbund Thule“ wurde nach der Proklamation des Freistaates Bayern am 8. November 1918 als eine eigene militärische Abteilung der Thule-Gesellschaft gegründet. „Kämpfen, bis das Hackenkreuz siegreich aufsteigt“ war die Parole, die Sebottendorf lautstark verkündete. Die Thule-Gesellschaft wollte keine neue Monarchie einführen, sondern die Errichtung einer neuen Diktatur mit einer rassistischen Rechtsordnung. Der Kampfbund Thule war im Dezember 1918 an der Organisation und Vorbereitung eines Putsches beteiligt, der aber in letzter Minute verhindert werden konnte. Es handelte sich dabei um die sogenannte „Bürgerwehr-Affäre“, deren Ziel es war, die bestehende Regierungskoalition aus MSPD und USPD zu beenden.

Politischer Einfluss

Die Thule-Gesellschaft war schon Anfang 1919 eine einflussreiche Organisation, die fast alle nationalistischen Gruppen sowie den Alldeutschen Verband zu ihren Verbündeten erklären konnte. Sie war auch für die Entstehung der Deutschen Arbeiterpartei (DAP) des Thule-Mitglieds Karl Harrer verantwortlich, aus der die spätere NSDAP entstand. Dieser organisatorische Hintergrund sollte der Öffentlichkeit aber verborgen bleiben. Sebottendorf baute die Thule-Gesellschaft systematisch aus und formte viele Mitglieder als fanatische Aktivisten. Einige Mitglieder wie Hans Frank, Rudolf Heß oder Alfred Rosenberg sollten später einen großen Einfluss im Nationalsozialismus erhalten. Nachdem am 13. April 1919 eine weitere kommunistische Räterepublik ausgerufen wurde, organisierte die Thule-Gesellschaft als Gegenwehr ein gut funktionierendes Nachrichten-und Spionagesystem. Ihre Mitglieder aus dem Untergrund erreichten mit gefälschten Stempeln einflussreiche Positionen in den Räteorganen und schleusten diverse Spione in die bayerische Armee und in die KPD ein. Alle geheimen Informationen und Berichte wurden dann der damaligen SPD-Regierung in Bamberg zugespielt. Nachdem die Räteschaft von den geheimen Aktivitäten der Thule-Gesellschaft unterrichtet wurde, ließ sie die Militärpolizei am 26. April 1919 das Hotel „Vier Jahreszeiten“ stürmen, die bei dieser Aktion rund 20 Personen verhaftet ließ. Daraufhin wollte die Räteschaft ein Exempel statuieren und ließ am 30. April 1919 sieben aktive Thule-Mitglieder erschießen. Diese Hinrichtung der Thule-Gefangenen ist mit der Bezeichnung „Geiselmord“ in die Geschichte eingegangen. Danach benutzte die Thule-Gesellschaft die jüdische Herkunft einiger politischer Vertreter als Vorwand für eine intensive antisemitische Hetzkampagne und erreichte damit einen Aufstand in der Bevölkerung, der schließlich mit der Auflösung der Räterepublik endete.

Auflösung

Nachdem die Macht der Räteschaft von der Militärpolizei abrupt zerstört wurde, zersplitterte sich die Thule-Gesellschaft in einzelne Verbünde und Gruppen, die aber keinen weiteren Einfluss in der politischen Szene erreichen konnten. Sebottendorf verließ München und Deutschland und kehrte wieder zurück in die Türkei. Im Jahre 1933 übernahm Hitler und die NSDAP die Macht in Deutschland, was Sebottendorf veranlasste, wieder nach München zurückzukommen. In Deutschland veröffentlichte er dann das Buch „Bevor Hitler kam“, indem er behauptete, dass die Thule-Gesellschaft der Vorläufer und somit der Ursprung des Nationalsozialismus gewesen sei. Diese Äußerungen missfiel der damaligen Regierung, die dann veranlasste, dass Sebottendorf im Februar 1934 aus Deutschland abgeschoben wurde. Er musste wieder in die Türkei zurückgehen und soll sich am 9. Mai 1945 im Bosporus ertränkt haben.

Mythen und esoterischer Hintergrund

Sebottendorf war der leitende Organisator der damaligen Thule-Gesellschaft in München. Da er sich außerdem mit esoterischen und okkultischen Lehren beschäftigte, bekräftigte sich das Gerücht, dass der Nationalsozialismus aus geheimnisvollen Kräften entstanden sei und sich dabei die okkulten Kräfte der Thule-Gesellschaft für ihre politische Macht zuhilfe genommen hätte. Die Autoren Louis Pauwels und Jacques Bergier behaupten in ihrem Buch „Le matin des magiciens“, dass die beiden Thule-Mitglieder Dietrich Eckart und Karl Haushofer nur einen so großen Einfluss auf Adolf Hitler erlangt hätten, weil sie Hitler in geheime Informationen über okkulte Kräfte eingeweiht hätten, die sie von der Thule-Gesellschaft gelernt hatten. Auch sei die Thule -Gesellschaft der „magische Mittelpunkt der NS-Bewegung“ gewesen und hätte im Hintergrund das Dritte Reich gelenkt und beherrscht. Der Autor Dietrich Bronder, der das Buch “ Bevor Hitler kam“ veröffentlichte, behauptet in seiner historischen Studie über die Thule-Gesellschaft, dass dieser Bund verschiedene Kontakte zu geheimen Klostern in Tibet hatte und die SS im Jahre 1939 nur eine Expedition nach Tibet unternommen hätte, damit eine Radioverbindung zu den dortigen Lamas hergestellt werden konnte. Die vielfältigen Schilderungen von okkulten Aktivitäten der Thule-Gesellschaft werden durch die Behauptung erweitert, dass die Thule-Gesellschaft auch satanistische Praktiken angewendet und gelehrt hat.

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