Globalisierung in Island

Mit dem Begriff „Globalisierung“ wird die weltweite Vernetzung von Geld- und Warenströmen, Informationen und auch politischen Interaktionen beschrieben. Die Globalisierung setzte mit dem Ende des Kalten Krieges ein und beschleunigte sich rasant durch neue Technologien wie das Internet, die es ermöglichen, weltweite Geschäfte in Sekundenschnelle zu vollziehen. Heute hängt gewissermaßen Alles mit Allem zusammen und selbst kleine und an und für sich autarke Staaten, denen früher keinerlei geostrategisches Gewicht zukam, sind mittlerweile Teil einer globalisierten Welt. Als Beispiel hierfür mag Island dienen.

Island vor der Globalisierung

Island ist eine recht unwirtliche Insel im Nordatlantik, die gerade einmal so viele Einwohner hat wie eine mittelgroße Stadt. Die Insel ist bekannt für ihre Geysire und die raue und ebenso unwirtliche wie unwirkliche Landschaft. Haupteinnahmequelle der Menschen auf Island war die Fischerei, wobei der Inselstaat neben einiger sportlicher Höchstleistungen in der Regel dann Schlagzeilen machte, wenn es um internationale Walfangabkommen ging, die von der isländischen Bevölkerung unter Berufung auf alte Traditionen regelmäßig unterlaufen wurden. Das Land war zwar NATO-Mitglied, diente jedoch lediglich als Flottenstützpunkt; einer Mitgliedschaft in der EU verweigerten sich die Insulaner mit Blick auf die Fischfangquoten. Ansonsten wurden Wolle und landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Maschinen exportiert; der Tourismus spielte ebenfalls eine gewisse Rolle.

Island und die Globalisierung

Mit der Globalisierung suchten sich die globalen Geldströme verschiedene Sammelpunkte. Island wurde zu einem dieser Punkte auserkoren, was wohl auch an der geographischen Nähe zu Großbritannien lag. Zudem war das Land als Nichtmitglied in der EU sehr frei, seinen Finanzsektor entsprechend zu strukturieren beziehungsweise vollständig zu deregulieren. Island wurde so zunächst zu einem der großen Gewinner der Globalisierung: Es gab faktisch keinerlei Arbeitslosigkeit auf der Insel und das Pro-Kopf-Einkommen war eines der höchsten der Welt. Island schien einer der großen Gewinner der neuen finanzpolitischen Weltordnung gesehen; die Eröffnung zweier McDonald’s-Filialen in der Hauptstadt Reykjavik wurde als ein Höhepunkt der neuen Entwicklung gefeiert: Der kleine Inselstaat schien seinen Platz in der neuen Weltordnung gefunden zu haben, ohne sich an das Gängelband der gefürchteten EU leinen lassen zu müssen. Besonders die Kontakte zur Londoner City wurden immer intensiver; ausländische Geldhäuser beeilten sich, Präsenz auf Island zu zeigen.

Die Krise von 2008

Im Jahr 2008 geriet die Globalisierung, was den Finanzsektor betrifft, in ihre bislang schwerste Krise: Mit dem Platzen der Immobilien- und Kreditblase in den USA gerieten Banken rund um die Welt ins Taumeln und mussten von ihren Regierungen, im Grunde also von den Steuerzahlern, gerettet. Diese Krise ist weltweit noch längst nicht ausgestanden und hat systemische Fahler im globalen Finanzsystem offenbart, ohne deren Behebung eine weitere, womöglich noch schlimmere Krise jederzeit wieder aufbrechen könnte, zumal sich die meisten Staaten mittlerweile bis an den Rand des Erträglichen oder sogar darüber hinaus verschuldet haben. Island wurde jedenfalls von der Krise mit nicht geahnter Härte getroffen: Die internationalen Banken zogen sich zurück und brachten ihr Geld in Sicherheit. Die drei größten Banken des Landes mussten verstaatlicht werden, um einen vollständigen Kollaps zu vermeiden; jeder Isländer war mit beinahe einem Jahresgehalt verschuldet, die er der Maßlosigkeit des globalen Finanzsystems zu verdanken hat. Sogar McDonald’s schloss seine Filialen wieder. Unter Finanzanalysten galt das Land als der erste Anwärter auf einen totalen Staatsbankrott. Die Währung verlor massiv an Wert. In seiner größten Not beschloss der kleine Inselstaat, unverzüglich in Aufnahmeverhandlungen mit der EU einzutreten, was von der EU erstaunlicherweise bewilligt wurde, obwohl es nur zu offensichtlich war, dass der an der Globalisierung gescheiterte Staat lediglich seine Schulden auf andere Länder abwälzen wollte, während er sich in den besseren Zeiten beharrlich geweigert hatte, mit der EU zusammen zu arbeiten. Die Verhandlungen verliefen zunächst schwierig, da die Briten Ansprüche auf einige Gewässer für ihre eigene Fischfangflotte erhoben, während die isländische Regierung der Ansicht schien, das Land strebe lediglich eine temporäre EU-Mitgliedschaft zur Schuldentilgung an, um hernach der Gemeinschaft wieder den Rücken kehren zu können. Zu einem EU-Beitritt kam es letztlich nicht.

Island heute

Durch einen rigiden Sparkurs hat das Land offenbar das Schlimmste hinter sich: Der Staatsbankrott ist abgewendet und die Staatsfinanzen sind auf dem Weg der Konsolidierung. Die Arbeitslosigkeit ist für die dortigen Verhältnisse mit etwa 6-7 % relativ hoch, doch längst nicht so dramatisch wie in anderen von der Globalisierung schwer getroffenen Staaten, wobei bemerkt werden muss, dass die Lebenshaltungskosten auf Island sehr hoch sind und Arbeitslosigkeit daher mit Armut gleichgesetzt werden kann. Das Land hat sich aus den Beitrittsverhandlungen mit der EU wieder zurückgezogen und beharrt wieder auf seiner Unabhängigkeit. Durch die starke Abwertung der isländischen Krone ist das Land zudem für ausländische Touristen attraktiver geworden, so dass sich ein Wirtschaftszweig zum Krisengewinner gemausert hat. Der Fischereistreit mit Großbritannien ist zwar nicht beigelegt, doch haben die Briten ihre Ansprüche weitgehend zurückgezogen, wohl auch aus Rücksicht auf den arg ramponierten kleinen Nachbarn, dem man in Freundschaft verbunden ist. Island scheint noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen zu sein.
Island war und ist ein Paradebeispiel für das Funktionieren und die Risiken der Globalisierung: Ein Staat verliert die Kontrolle über den Finanzsektor, welcher durch kurzfristiges Profitdenken letzten Endes ein ganzes Land mit seiner gesamten Bevölkerung in den Abgrund zu reißen vermag und sich danach ohne Reue und ohne in Regress genommen zu werden verabschiedet. Die schärfsten Kritiker der Globalisierung konnten sich am Beispiel Island in allen Punkten ihrer häufig als Panikmache anmutenden Kritik bestätigt sehen.

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